Caterer im Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung
Food Waste: Wie man die Lebensmittelverschwendung aufhalten kann
von Andreas Schäfer, Artikel aus dem Archiv
Seit dem zig-fach ausgezeichneten Dokumentarfilm „Taste the Waste“ von Valentin Thurn aus dem Jahr 2011 ist das Thema Lebensmittelverschwendung in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Freiheitblau konzipierten damals ein vielbeachtetes und preisgekröntes PR-Event zum Kinostart. Damit wurde bei Kunden, Agenturen und Dienstleistern neues Bewusstsein geschaffen oder schon vorhandenes geschärft. Und heute, vier Jahre danach? Drei große Caterer diskutieren das Thema Food Waste.
Viele Caterer engagieren sich mittlerweile (pro)aktiv gegen „Food Waste“. Das war nicht immer so. EVENT PARTNER hatte vor gut zwei Jahren ein größeres Catering-Special recherchiert und in der Branche nach den wichtigen Trends gefragt. Damals lag die FoodWaste-Diskussion gerade erst auf dem Tisch. Themen wie „Vegatarische Angebote“, von „Vegan“ ganz zu schweigen, waren noch nicht überall in der Branche angekommen. EVENT PARTNER traf sich daher bei Broich Catering & Locations in Düsseldorf mit Georg Broich, Farroch Radjeh von FR Catering (Würzburg) und Andreas Hüttmann von Der Party Löwe aus Hannover, um den aktuellen Stand der Thematik zu diskutieren. Von den gereichten Amuse Gueule blieb nichts übrig und Farroch Radjeh kam im Tesla, den er zu Hause an der Solaranlage auftankt.
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Das Thema Food Waste ist in der ganzen Branche angekommen. Wie gehen Sie damit um?
Georg Broich: Ich habe mich damals als Vertreter des DEHOGA mit Ilse Aigner für „Zu gut für die Tonne“ engagiert. Wir sind von Anfang an bei „Sustainable Bonn“ dabei, einer städtischen Nachhaltigkeitsinitiative, der es darum geht, Bonn als den Konferenzort der Nachhaltigkeit zu positionieren. Nachhaltigkeit ist ja auch ein UN-Schwerpunkt. Die Initiative läuft im neunten Jahr, inbegriffen war immer schon das Thema Food Waste. Mir selbst liegt es auch seit jeher am Herzen. Mit der Gründung von EPCAS (European Party Caterer Association) ist uns dieses Thema noch einmal auf die Füße gefallen. Vor vier Jahren haben wir die Initiative „Dinner of the Future“ gegründet, bei der Food Waste neben vier anderen Themen im Zentrum steht. Wir arbeiten gerade sehr stark daran, das voranzubringen.
Farroch Radjeh: Wir haben schon wiederholt einem Kunden das Konzept verkauft, dass wir die Lebensmittel in einem solchen Zustand zum Veranstaltungsort bringen, dass die übrig gebliebene Ware an die Tafel weitergegeben werden kann. Dafür hatten wir bei der Veranstaltung einen Lebensmitteltechniker vor Ort, der das Ganze geprüft hat. Einmal wurde das Konzept sogar ausgezeichnet: Wir sind eine vom FAMAB zertifizierte „Sustainable Company“. Wir arbeiten in unserem Unternehmen daran, dass wir das Konzept dahingehend verfeinern, dass wir dem Kunden zwei Angebote machen: Ein normales Angebot und ein Angebot „Tafelfähiges Produkt“. Das Produkt mit den tafelfertigen Speisen kostet mehr, denn es ist mit erheblich mehr Aufwand verbunden. Das Vakuumieren der Lebensmittel ist dabei der größte Posten, danach der Lebenskontrolleur, der ja auch einiges kostet. Es ist nicht erlaubt, nicht-originalverpackte Lebensmittel an die Tafel zu geben. Deshalb müssen wir an diesem Konzept arbeiten.
Sie nicken dazu? Andreas Hüttmann: Wir haben in unserem täglichen Geschäft sehr, sehr große Veranstaltungen und daraus resultiert eine Schwierigkeit: In den letzten 14 Tagen hatten wir zwei Veranstaltungen mit über 10.000 gemeldeten Gästen. Wir müssen uns auf die gemeldeten Zahlen vorbereiten. Aber bei einer Veranstaltung sind ca. 35 % der Gäste nicht erschienen. Dem Veranstalter ist die Problematik sehr bewusst geworden, als wir nachher mit den sogenannten ReFood-Tonnen gearbeitet und neun Tonnen davon mit Buffetrücklauf gefüllt haben. Der Anblick tut mir sehr weh. Das ist das, worüber wir in Zukunft nachdenken müssen, denn wir bringen die Hauptgänge von vornherein alle vakuumiert zur Veranstaltung mit. Bei der Tafel haben wir angerufen, aber von denen ist keiner zur Abholung gekommen. Das ist leider so. Wir sollten dem Veranstalter meiner Meinung nach mal sagen: „Alles, was übrig bleibt, lassen wir bei dir. Viel Spaß damit!“ (lacht) Nicht nur wegen der Umwelt, auch wegen der Kosten, die dadurch entstehen. Das passt absolut nicht mehr in unsere Zeit.
Obwohl viele Kunden mittlerweile das Thema „Nachhaltigkeit“ in ihren Firmenwerten beschrieben haben. Hüttmann: Nachhaltigkeit ist natürlich in vielen Bereichen ein Punkt. Wir sind ja auch bei der FAMAB-Stiftung und bieten den Kunden an, die Veranstaltung CO2-neutral zu gestalten. Allein das ist schon eine große Hürde; das ist noch nicht im Fokus des Gastgebers. Und dann noch mit dem Kunden über Lebensmittelmüll zu sprechen – das möchte der so oftmals gar nicht an sich heranlassen. Das trübt, glaube ich, den Schein seiner tollen, bunten Veranstaltung.
Radjeh: Wir müssen hier bitte über zwei Arten von Lebensmittelverschwendung sprechen: Einmal, wenn der Kunde für eine bestimmte Personenzahl bestellt und diese Personen nicht alle kommen. Der Kunde hat ja eigentlich auch kein Interesse daran, uns eine zu hohe Zahl zu melden. Das ist aus meiner Sicht Schicksal. Das Zweite ist, dass bei einem Buffet immer etwas übrig bleibt. Das ist auch die Erwartungshaltung des Gastes.
Broich: Dazu kommt noch die Art der Veranstaltung. Wir betreuen zum Beispiel „Düsseldorf IN“ und „Was gibt’s Neuss?“ – Networking-Veranstaltungen zwischen 300 und 500 Personen. Die finden zehn Mal im Jahr statt. Das sind reine Business-Treffen. Da geht es darum, Visitenkarten auszutauschen. Essen ist Nebensache. Wir haben damals mit dem Veranstalter im Rahmen der Food-Waste-Kampagne vereinbart, dass wir nicht mehr vier, sondern nur noch drei Hauptgänge machen. Und nicht alle drei Hauptgänge müssen bis Ende der Veranstaltung vorrätig sein.
Sicherlich dürfen sie nicht schon nach einer Stunde aus sein … Broich: Ja, das ist klar. Da ist niemand, der sich beschwert, denn alle Menschen sind eingeladen und bekommen, wenn etwas aus ist, beim nächsten Treffen wieder die Gelegenheit zuzugreifen. Bei einem Kongress ist es ähnlich und man kann mit dem Veranstalter darüber reden, ob es möglich ist, dass von drei Hauptgängen einer ausgeht. Möglichst sollte es nicht der vegetarische Gang sein. Da findet man oftmals Gehör. Das ist eine andere Ausgangssituation als bei einer Galaveranstaltung, einem Firmenjubiläum oder einer wichtigen Produktpräsentation. Da möchte der Kunde auf keinen Fall, dass etwas ausgeht. Denn es würde sich kein Gastgeber vorne hinstellen und sagen: „Das hat etwas mit Food Waste zu tun.“ Dafür ist das Risiko zu groß, denn da stehen die Firma, das Jubiläum und die Gäste im Mittelpunkt.
Somit lerne ich heute, dass das Buffet die weniger nachhaltige Variante ist. Alle: So ist es, ganz klar und deutlich, ja!
Broich: Es gibt eine sehr schöne Initiative von unseren belgischen Kollegen, sowohl aus der Catering- als auch aus der Eventbranche. Da sieht man im Film, wie Fisch gefangen wird, wie er auf dem Kutter zerlegt wird, wie er ins Restaurant kommt, auf dem Teller angerichtet wird. Von fünf Fischen, die angerichtet werden, gehen vier in den Saal und einer wandert direkt in die Tonne. Das ist das Thema: „Ich melde mich überall an und komme hinterher nicht.“ Bei den Business-Veranstaltungen, von denen ich eben sprach, haben wir extremstes Glück, weil eine ganz, ganz hohe Rate der angemeldeten Gäste kommt. Denn wer sich anmeldet und nicht kommt, der fliegt von der Liste. Und das möchte keiner. So kann man ganz anders – besser – planen.
Also scheint bei den Kunden in der Branche – ich sage es mal hart – eine ähnliche Bigotterie wie bei Allgemeinverbrauchern zu herrschen: Man klagt über die Tierhaltung, kauft aber seine Eier trotzdem beim Discounter. Wie bekommt man das Bewusstsein geändert? Radjeh: Nur durch einen Prozess können wir etwas bewegen. Es ist meistens keine Sache, die ein Kunde von sich aus anspricht. Es sind bei uns die wenigsten – ganz verschwindend geringe – Aufträge von Kunden, die für so etwas sensibilisiert sind und es ganz genau ansprechen. Der Kunde, der sagt, dass er Lebensmittel aus artgerechter Haltung, Bio-Lebensmittel oder einen sehr hohen veganen oder vegetarischen Anteil haben möchte, lässt uns in der Regel keinen Handlungsspielraum. Die Caterer müssen den Prozess anstoßen, indem sie ihr Angebot verändern und vegetarische und vegane Speisen aufnehmen, ohne dass es der Gesetzgeber oder der Kunde verlangt. Sie sollten möglichst darauf achten, dass vegetarisches Essen nicht nur aus dem Weglassen der Fleischkomponente besteht, sondern dass es optisch und auch geschmacklich eine unheimlich attraktive Speise ist. Das sollte über Jahre, Jahrzehnte aufrechterhalten werden und nicht die Sache eines Alleinunterhalters, sondern der gesamten Branche sein. Von heute auf morgen geht das selbstverständlich nicht.
Hüttmann: Ich glaube, dass das Umdenken zurzeit sehr rasant stattfindet. Wir werden eigentlich von jedem Kunden gefragt, wie die vegane Speise oder was die vegane Alternative ist. Vegetarisch ist mittlerweile sowieso Standard und wir gehen von 20 % der Gäste aus. Das steigt in ziemlich hohem Maß, vor Jahren waren es gerade mal 5 bis 10 %. Ich finde, dass sich das in den letzten 20 Jahren komplett gewandelt hat: Früher waren Kunststoffstuhl und Lackfolie angesagt. Heutzutage reden wir über Designstühle, Tischwäsche und Stoff-Servietten, die ja wiederverwendet werden. Wann haben wir das letzte Mal Lackfolie oder Einweggeschirr verwendet? Das ist schon ein paar Jahre her. Wir haben es ja auch auf dem Papier: Regionalität wird heute sehr, sehr groß geschrieben, kurze Anfahrtswege, das Wissen darum, wo unsere Produkte herkommen.
Nachhaltigkeit fängt im Prinzip beim Denken an, aber der erste Schritt ist der Einkauf. Hüttmann: Genau. Manchmal ist es schwierig, das dem Kunden klarzumachen, etwa wenn es ein Messekunde ist, der auf das Budget schaut. Für die, die „günstig, günstig, günstig“ und nachhaltig wollen, sind wir allerdings nicht die Partner. Das müssen dann andere machen. Um jeden Preis geht es heutzutage auch nicht mehr, das passt nicht in die Philosophie.
Radjeh: Unser Beitrag ist heute, dass wir standardmäßig in all unseren Buffetangeboten als Minimum drei vegetarische Gerichte – und davon eines oder zwei vegan – haben. Die Auswahl ist größer geworden. Man muss insgesamt bedenken, dass nicht nur der Einkauf und die Arbeitszeit des Kochs, sondern auch der Rücklauf der Lebensmittel Geld kostet. Die Lebensmittel müssen fachmännisch entsorgt werden und das wird nach Kilogramm bemessen.
Hüttmann: Bisher reden wir ja über die Sichtweise von innen heraus. Einer der Hauptanteile von Food Waste ist den EU-Kontrollen geschuldet, dass man von fünf Kartoffeln nur eine verwenden darf. Meine Oma hat noch alle Kartoffeln vom Feld geholt und in den Kochtopf gesteckt. Das ist ein großer Punkt, den ich hinterfrage. Dürfen wir nicht auch eine krumme Gurke verarbeiten? Schmeckt wahrscheinlich genauso gut, wenn nicht sogar besser. Da sind es nicht wir, die etwas umsetzen können – wir können nur zum Nachdenken anregen.
Welche Rolle spielt „Bio“ für Sie? Broich: Wir sind bio-zertifiziert. In unserem Schul-/Kita-Cateringkonzept spielt Bio eine tragende Rolle. Im Eventcatering grundsätzlich auch. Bei der Menge, die wir verarbeiten, ist da kein großer Preisunterschied. Schwierig wird es bei Fisch und Fleisch. Ein Rind hat nun mal nur zwei Filets. Wir haben demnächst eine Menüveranstaltung mit 1.700 Personen. Da gibt es im Hauptgang Kalbsrücken, das sind knapp 3.500 Kalbsrückenmedaillons. Der Kunde möchte sie nicht in Bio-Qualität haben, aber wenn wir sie in Bio-Qualität hätten besorgen müssen, wäre es schwer geworden.
Worauf verzichten Sie bewusst? Radjeh: Alle Produkte, die unter Tierquälerei hergestellt werden. Auf Stopfleber verzichten wir. Auf Schweinefleisch verzichten wir sehr stark, denn in den Mengen, die wir bräuchten, geht es nicht ohne Massentierhaltung. Auch Geflügel versuchen wir so wenig wie möglich anzubieten, da auch dabei die Massentierhaltung nicht ausgeschlossen werden kann.
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