Verantwortlichkeiten auf dem Weg zum Event

Sicherheitsplanung auf der Last Mile

Die Grenzen des Formalen sind nicht immer die Grenzen des Sinnvollen. Insbesondere in der Organisation der sogenannten Last Mile ist in der Sicherheitsplanung eines Events ein abgestimmtes Miteinander über formale Verantwortlichkeitsgrenzen hinaus notwendig.

Last-Mile-U-Bahn-Event(Bild: Nils Versemann/Shutterstock)

Bei der Erstellung von Sicherheitskonzepten gibt es einen immens wichtigen Punkt, der niemals vergessen werden darf: das Ziehen von Grenzen; das Ziehen von räumlichen Grenzen, aber auch das Ziehen von zeitlichen Grenzen. Bis wohin/wann reicht der Geltungsbereich des Konzeptes? So weit, so (manchmal) einfach. Spannend wird es aber natürlich genau außerhalb dieser Grenzen: im Graubereich, der „Zone ex(ternal)“, der „Last Mile“.

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Die Last Mile ist der Bereich, in dem aus Menschen Veranstaltungsbesucher:innen werden. Meist ist das die letzte öffentliche Haltestelle, der Parkplatz oder andere Orte, an denen Menschen individuell ankommen und sich dann konkret mit dem Ziel der Veranstaltung weiterbewegen. Diese Etappe liegt zumeist im öffentlichen Bereich und bringt damit die spannende Frage der Zuständigkeit auf: Wer ist für die Sicherheit der Menschen auf dieser Etappe verantwortlich? Unbestritten handelt es sich um Veranstaltungsbesucher:innen – die sich aber eben nicht auf der Veranstaltungsfläche bewegen, sondern auf einer öffentlichen Straße, in einer belebten Innenstadt, an einem öffentlichen U-Bahn-Zugang.

Szenarien des Miteinanders oder Gegeneinanders

In der Praxis gibt es zu diesem Thema eine Vielzahl von Herausforderungen und Meinungen: „Natürlich“ ist der Veranstalter zuständig, „natürlich“ ist es eine Frage der öffentlichen Sicherheit, der Betriebssicherheit der Haltestelle etc. Und dabei geht es bei Weitem nicht nur um Abgrenzung („dafür bin ich nicht zuständig“), sondern genauso häufig um die Frage, was z.B. der Veranstalter im öffentlichen Raum eigentlich unternehmen/aufstellen/organisieren darf. Im besten Falle arbeiten alle Beteiligten so zusammen, dass hier gute Lösungen gefunden werden: Abläufe am Bahnhof und auf der Veranstaltungsfläche werden koordiniert und aufeinander abgestimmt, genauso wie die Maßnahmen der Lenkung und Leitung sowie – und das darf natürlich nie vergessen werden – auch die Abläufe in einem Schadenfall, z.B. einem Notfall in einer Einlasssituation, in der sich alle Wartenden im öffentlichen Bereich aufhalten.

Vermutlich haben die meisten Sicherheitsplaner:innen die nachfolgenden Gesprächssituationen schon in der einen oder anderen Konstellation erlebt:

Szenario A

Behörde: „Natürlich müssen Sie sich kümmern, das sind ja Ihre Veranstaltungsgäste.“ Veranstalter: „Ja schon, aber was ist mit der deutlich höheren Anzahl von Feiernden, die dann sowieso in der Stadt unterwegs sind und die sich unmittelbar am Übergang zwischen Veranstaltungsfläche und öffentlicher Fläche mit den Veranstaltungsgästen vermischen?“ Behörde (ignoriert die eigentliche Frage): „Die kommen ja nur wegen Ihrer Veranstaltung.“

Szenario B

Veranstalter: „Ich möchte für den sicheren Aufenthalt meiner Veranstaltungsbesucher:innen schon auf den Warteflächen ein Aufstellsystem aufstellen.“ Behörde: „Das Aufstellen von Abschrankungen ist hier nicht erlaubt.“

Szenario C

Behörde: „Sie müssen Ihre Besucher:innen ja auch schon auf der Wartefläche schützen – bitte sorgen Sie für einen entsprechenden Schutz.“ Veranstalter: „Auf der öffentlichen Fläche? Warum? Das bezahle ich aber nicht.“

Und schlussendlich Szenario D

Behörde: „Machen Sie sich keine Sorgen, wir kümmern uns um alles, auch wenn etwas passiert.“ Veranstalter: „Aeh – also, wir haben ja auch unsere Szenarien, z.B: …“ Behörde (unterbricht): „WIR sind ja zuständig, WIR kümmern uns dann schon.“

Das alles klingt beim Lesen deutlich lustiger, als es in der Realität der Fall ist. Für eine sichere Organisation der Last Mile braucht es ein wirklich gutes und abgestimmtes Miteinander aller Beteiligten: Es braucht neben den formellen Abgrenzungen vor allem das Verständnis für Notwendigkeiten und die gemeinsame Er- und Bearbeitung von Möglichkeiten. Sperrt sich eine Partei („dafür bin ich nicht zuständig“/„da können Sie gar nichts machen, das machen wir“), wird es sofort schwierig – und damit letztendlich möglicherweise unsicher für diejenigen, die es betrifft. Die Betroffenen sind dabei nicht die Besucher:innen der Veranstaltung, sondern auch unbeteiligte Dritte, die sich ebenfalls in diesem Bereich aufhalten.

Event-Menschenmenge-Einlass(Bild: Nils Versemann/Shutterstock)

Die Customer Journey unterstützen

Natürlich ist es wichtig, die formalen Abgrenzungen zu kennen und auch genau zu benennen. Das bedeutet aber nicht, dass es grenz- und flächenübergreifend nicht doch auch sinnvolle Möglichkeiten des Miteinanders gibt. Veranstalter sollten bestrebt sein, ihre Besucher:innen auf der gesamten Customer Journey zu unterstützen – mit Informationsangeboten, (wenn nötig) mit Aufbauten, mit Szenarien; was in jedem Fall bedeutet, in Verantwortungsbereichen anderer aktiv zu werden. Hier geht nichts ohne ein gutes und abgestimmtes Miteinander.

Gleichermaßen können „Standardprozedere zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ nicht ohne Wenn und Aber, ohne Anpassung und Abstimmung auf z.B. ein Einlassszenario mit aktivem Warteschlangenmanagement und vorgeplanten Szenarien übergestülpt werden – auch hier geht nichts ohne ein gutes und abgestimmtes Miteinander.

Event ohne abgestimmtes Miteinander: die Loveparade-Katastrophe

Wer noch einmal sehen möchte, was passiert, wenn das alles nicht funktioniert und „außerhalb meiner Fläche bin ich ja gar nicht zuständig“ auf „wir regeln das schon“ bzw. „wir müssen das ja jetzt regeln, weil es niemand anderes tut“ trifft, kann noch einmal den von Prof. Gerlach verfassten Bericht zu den Ereignissen der Loveparade lesen: www.svpt.uni-wuppertal.de/fileadmin/bauing/svpt/Loveparade_2010/Loveparade_Aufarbeitung_Gerlach.pdf.

Der Bericht zeigt mehr als deutlich, welche Bedeutung eine aktive Organisation der Last Mile hat. Abläufe, die dort nicht gesteuert werden, können immense Auswirkungen auf das Veranstaltungsgelände haben (ungeregelter Zulauf), gleichermaßen kann aber natürlich z.B. auch ein plötzliches, nicht kommuniziertes Veranstaltungsende relevante Auswirkungen auf den öffentlichen Bereich haben, wenn dieser ohne Vorwarnung und Vorbereitung überlastet wird.

Empfehlenswert: der/die Last-Mile-Koordinator:in

Bei großen Veranstaltungen – insbesondere solchen mit einem nicht geregelten Zugang – kann es daher eine gute Idee sein, im Rahmen der Sicherheitsorganisation auch eine:n Last-Mile-Koordinator:in einzusetzen – eine Person, die sich ausschließlich auf die Abstimmung der Abläufe innerhalb und außerhalb der Veranstaltungsfläche kümmert. Zumindest aber sollte diese Aufgabe aktiv in der Sicherheitsorganisation angesprochen und ausgeführt werden.

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