Interview mit Svenja Dunkel

So kann Artistik Events bereichern

Artistik und Show beim Event ist weit mehr als pure Bespaßung der Gäste. Richtig eingesetzt, kann durch einen Showact die Botschaft der Veranstaltung auf eine völlig neue Weise in den Köpfen der Besucher:innen verankert werden. Worauf man beim Einsatz von Artistik bei Events achten sollte, haben wir die Artistin und Frequenzmanagerin Svenja Dunkel gefragt.

BOUNDZ
Bei Boundz werden Alltagsgegenstände wie Leitern zu groovenden Drums. (Bild: Angela Wulf)

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Wie wichtig ist es für Sie als Artistin, dass Sie mit den Abläufen aber auch der Zielsetzung des Events im Vorfeld genau vertraut sind?

Svenja Dunkel: Zeitliche Abläufe bedingen sich – die Aufbauten und Proben müssen genauso in den Zeitplan integriert werden wie die eigentliche Show. Diese ist am Ende nur die Kür zum Ziel. Je besser du als Artist eine Bühne und die Gegebenheiten kennst, desto weniger Unfälle oder unvorhergesehene Dinge passieren. Die Dramaturgie einer Show ist das A und O. Schlecht gesetzte Spannungsbögen oder ganze Löcher, seien es auch nur ein paar Sekunden zu viel Pause, in denen auf der Bühne nichts passiert, können auch die größte und teuerste Show kaputt machen und dich als Zuschauer nicht erreichen. Ziel ist es, die Menschen zu berühren, ihnen ein Happening zu bieten und sie zu begeistern. Es ist wie überall in der Eventbranche – je mehr du weißt, desto besser kannst du dich darauf vorbereiten.

Welchen Mehrwert kann der Einsatz von Artistik für ein Event haben? Wie kann mithilfe von Artistik, Show und Entertainment die Interaktion der Besucher:innen, und so im Umkehrschluss auch der Mehrwert sowohl für die Veranstalter als auch die Gäste, gesteigert werden?

Dunkel: Solange Artistik Emotionen trifft, wird es sie geben und Events bereichern. Die Faszination, das Körper Unmenschliches leisten können, den Lachmuskel zu treffen oder traumhafte Bilder entstehen zu lassen, bietet eine unfassbare Anzahl an Möglichkeiten und wird ein Bestandteil zur Vermittlung von Kontext jeglicher Art bleiben. Durch die Darbietungen kann der Mensch visuell partizipieren, im klassischen Sinne sitzend und konsumieren.

Interaktiv auf Messen oder in festen Häusern wird auf jegliche mediale Errungenschaft und Technik der Veranstaltungsbranche zurückgegriffen. Es werden ganze Parcours und Erlebnislandschaften gebaut, um den Zuschauer mehr denn je in eine virtuelle erfahrbare Welt eintauchen lassen zu können. Menschen, die Lust auf Erfahrungen der anderen Art haben, gehen in mondän anmutende Inszenierungen.

Firmenevents und Galaveranstaltungen greifen auf eine Vielzahl an Entertainmentstrukturen für den einen Moment zurück. Die Shows und das Drumherum werden bis ins Detail inszeniert. Die Kreativität kennt keine Grenzen, die Physik und deren tatsächliche Umsetzbarkeit bleibt allerdings anzupassen.

Hochrad
Hochrad-Artistik (Bild: Svenja Dunkel)

Gibt es Eventformate, bei denen der Einsatz von Artistik oder eines Showacts überhaupt keinen Sinn macht?

Dunkel: Tatsächlich fällt mir gerade kein Format ein. Selbst auf politischer Ebene wird allzu gerne die Kunst als Vermittler genutzt. Aber auch hier stellt sich die Frage nach der Inszenierung. Was möchte man vermitteln und welcher Rahmen passt? Den Zuschauer mit zu viel Gewolltem zu erdrücken, ist nicht zielfördernd.

Events scheinen immer technologie-orientierter zu werden. Wie kann neue Technologie Artistik und Show positiv beeinflussen? Und welche negativen Effekte kann es geben?

Dunkel: Trotz einer immensen Grauzone in den Schnittstellen der Technik und der Kunst mit Paragraphen und Sicherheitsbestimmungen findet eine unaufhörliche Entwicklung statt. Wenn es um weltweit aufgeführte Artistik geht, sind die Bestimmungen in der Veranstaltungstechnik und somit den damit einhergehenden neuen Technologien oft vage gehalten – oder es gibt „zu“ klare Gesetze, die wiederum vieles untersagen.

Cirque Du Soleil beispielsweise bietet einen zukunftsorientierten Austausch zum Thema Sicherheitsprozesse an. Gemeinsam werden in Workshops und Netzwerktreffen länderübergreifend sinnvolle Lösungen erarbeitet, die oft weiter als die herkömmlichen Gesetze und Standards für technisches Equipment oder gar Requisiten gehen. Bedingt durch die verschiedenen Erfahrungen und eine weit gefächerte Expertise ist der Austausch kostbar. Dazu muss man sagen, dass unsere bundesweiten Standards schon sehr weit fortgeschritten sind und die Grauzonen kleiner werden.

Wenn sich alle auf technischer und Produktionsebene geeinigt haben, bleibt zu guter Letzt die Frage: Wie transportiert man die Information an die Artisten, die künstlerisch Möglichmachenden und Kreativköpfe?

EventPercussion
Event-Percussion (Bild: Martina von Hinten)

Sicherheitstipps & Sensibilisierung – Was tun, (bevor etwas, oder) wenn doch mal etwas schief läuft?

Unfallprävention: Theorie & Abläufe

  • Wer trägt die Verantwortung z.B. für die körperliche Verfassung der Artist:innen und prüft diese?
  • Wie sieht die Aufwärmsituation der Artist:innen aus?
  • Findet eine Vorbereitung der Artist:innen durch detaillierten technischen Rider im Vorfeld statt?

Rettungskette

  • Wer entscheidet, was passiert?
  • Wer ist für was zuständig: Krankenwagen, Showabbruch, Erstversorgung, Kommunikation mit Cast und Publikum?

Dokumentation

  • Wie war der Unfallhergang?
  • Was war die Unfallursache?
  • War es menschliches oder technisches Versagen?

Versicherung

  • Wo kommen die Artist:innen her und wie sind sie versichert? Ist länderübergreifend gedacht worden?
  • Veranstalterhaftpflicht – wie weit greift diese, wo sind die Schnittstellen zu Künstler:innen/Artist:innen?
  • Berufs- bzw. Betriebshaftpflicht
  • Einkommensicherung durch: Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit oder Unfallversicherung

Kommunikation des Unternehmens

  • Kommunikation nach außen und innen sowie zu den Familienangehörigen
  • Wer übernimmt im Zweifel Verantwortung für Angehörige?
  • Psychische Betreuung des Publikums

Technisches Equipment und Requisiten

  • Welche Prozesse gewährleisten Sicherheit im Umgang mit technischem Equipment und Requisiten?
  • Wie sieht die optimale Lagerung in einem Zelt, Varieté im laufenden Tourbetrieb oder einer festen Location aus?
  • Was ist die Aufgabe eine Stagemanagers? Wer darf als Techniker:in was? Was dürfen die Artist:innen während der Show?
  • Was bedeutet eine Wartung der Hängepunkte, Statik, Technik und Requisiten? Ist sie notwendig und wenn ja, wie regelmäßig? (Dokumentation der Prozesse – hausintern für Nachfolger etc.)
  • Welche Schnittstellen sind wichtig, um einen reibungslosen Ablauf zwischen Technik und ausführende:r Artist:in zu gewährleisten?
  • Wie und in welcher Form sind Weiterbildungen sinnvoll? Anpassung der Gegebenheiten an neue rechtliche Rahmenbedingungen
  • An welchen Berufsgruppen, Netzwerken, Zusammenschlüssen und Standards kann man sich bereits orientieren?

Über Svenja Dunkel

Kugel Balance(Bild: Stefan Simonsen, Marion Coers)

Die Artistin und Frequenzmanagerin Svenja Dunkel hat aus ihrer Berufung ihre Berufe gemacht. Durch das früh gelegte Netzwerk der Artistik, gepaart mit Bühne, Musik und Technik und den Umgang mit einem sehr bunten Blumenstrauß an Menschen, hat sie ein ganz eigenes Lebenskonzept entwickelt. Ihre Kunst setzt sich aus Musik, Artistik und Komik zusammen. Während der vergangenen Jahrzehnte hat sie ihre Fähigkeiten durch verschiedene Kleinkunst- und Performancegruppen etabliert und verfeinert. In Kombination mit mehreren Ensembles und Künstlern sind diverse Showacts und abendfüllende Produktionen entstanden. Zusätzlich ist sie mit Solo-Auftritten und diversen Walk-Act-Varianten beständig aktiv. Der circensische rote Faden zieht sich auch hinter dem Vorhang weiter durch ihr Leben: ob Regie- und Inszenierungsarbeiten, die Workshopleitung für artistische Grundlagen im Kinder- und Jugendzirkus oder Fortbildungen für Trainer und Artisten.

>> Was genau ein Frequenzmanager macht, beleuchtet unser Schwestermagazin Production Partner in diesem Artikel.

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