VR-Anwendungen für Business, Event & Entertainment – Veranstaltungen in Social VR
von Christopher Werth, Artikel aus dem Archiv vom
Unzählige Anwendungen, Websites und Plattformen beanspruchen gerade für sich, das Metaverse zu sein. Aber wo kann man sich der Vision am besten annähern, sie schon heute erleben und sogar konkret nutzen?
Den Proof of Concept und das zurzeit authentischste Metaverse-Erlebnis bietet Social VR. Darunter versteht man Multiplayer-Anwendungen, die Menschen mit VR-Brillen von verschiedensten Orten aus an einem einzigen gemeinsamen, virtuellen Ort zusammenbringen. Und das mit einem erstaunlich realistischen Gefühl.
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Viele haben das Prinzip VR zum ersten Mal im Rahmen einer Messe erlebt: Unter den Blicken von fremden neugierigen Augen zieht man eine Brille auf. Sie sitzt unbequem, die Gurte ziepen an den Haaren. Und plötzlich sieht man nichts mehr. Ein Gefühl der Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit stellt sich ein. Hoffentlich blamiere ich mich jetzt nicht vor den anderen. Und dann beginnt auch noch eine brutale Achterbahnfahrt. Das Ergebnis: Überforderung, Übelkeit – und hinterher beim vorzeitigen Abnehmen der Brille: Ratlosigkeit. Bei Social VR ist das Erlebnis etwas vollkommen anderes. Man ist dabei in der Regel zu Hause oder in einer Umgebung, die man gut kennt. Man hat einen sicheren Raum ohne Hindernisse um sich herum und man sitzt oder steht so, wie man es gerade braucht. Startet man die Brille, hat man selbst die Wahl und alles unter Kontrolle. Spielen, trainieren, eine neue Folge einer Serie schauen. Oder eben sich mit Freunden und Kolleg:innen treffen, um z.B. ein Event zu besuchen: eine Party, ein Konzert, Comedy, Karaoke oder ein Festival.
Schauen wir uns mal drei beispielhafte Events genauer an. Ein Theaterstück, eine Konferenz und ein Festival beweisen schon heute die Faszination des Mediums und machen Lust auf mehr.
The Tempest von Shakespeare – ein Theaterstück in Social VR
(Bild: Tender Claws)
Im VR-Game The Under presents erkundet man gemeinsam mit anderen Spieler:innen ein geheimnisvolles Theater in einer Wüste. In der ersten Lockdown-Zeit, als viele Schauspieler:innen arbeitslos wurden, hatte die Chef-Entwickerlin Samantha Gorman die Idee, zusätzlich ein interaktives Theaterstück anzubieten. Im Eingangsbereich konnte man die Tickets für 14,99 Euro buchen, um zum ausgewählten Zeitpunkt die Vorstellungen zu besuchen.
(Bild: Tender Claws)
Zu Beginn sammeln sich die virtuellen Theaterbesucher:innen im Foyer, lernen sich und das skurrile Personal kennen. Dann geht’s los mit einer Teleportation. Alle nehmen mit Blick aufs Meer an einem Lagerfeuer Platz. Eine Schauspielerin beginnt in privater Haltung und ganz locker zu erzählen, stellt sich und das Spielprinzip vor. In allen Szenen bekommen die Zuschauer:innen neue Aufgaben und spielen sich so gemeinsam mit der Schauspielerin durch Shakespeares Story. Diese Interaktionen machen jede einzelne Vorstellung zu einem Original – jedes Mal ist es ein bisschen anders – und dadurch zu einem unwiederholbaren Erlebnis. Die Magie des Theaters, sie wirkt auch im neuesten technischen Gewand.
Immersive X – eine Konferenz in Social VR
(Bild: vm-people)
Die „Immersive X“ ist die größte europäische Konferenz in VR, Zielgruppe sind Entscheider:innen aus Marketing, Medien und Kommunikation. Sie wurde von Grund auf für das Medium designt und entwickelt. Im Fokus steht hier bei allen Sessions die Frage, wie durch innovative Technologien und immersives Storytelling „Marken zum Erlebnis“ werden können. Mit dem Ticket bekommt man eine VR-Brille zugeschickt, mit der man Zutritt zur fantasievoll gestaltete Area-X bekommt.
(Bild: vm-people)
Hier gibt es einen Park mit Lagerfeuer zum Networking und zum Plaudern, eine Sport-Ecke mit Basketballplatz lockert auf, ein großes Auditorium, in dem Speaker Filme und Präsentationen zeigen können und – als Überraschung – im Underground einen Club mit durchsichtigem Dancefloor, auf dem zum Ausklang eine VR-DJane auflegt. Wie in einer realen Location finden unter den Teilnehmenden viele zufällige Begegnungen statt und das komplette Eintauchen in die Welt ermöglicht ein intensives Auseinandersetzen mit den Themen.
Burning Man – ein Festival in Social VR
(Bild: BRCvr)
Getrieben durch die Pandemie fand das legendäre Burning Man Festival 2020 und 2021 nur virtuell statt. Ein großer und mutiger Schritt für die internationale Burner Community. Zum regulären Burning Man treffen sich jedes Jahr über 75.000 Menschen im US-Bundesstaat Nevada in der Black Rock Desert, ca. 150 km nord-nordöstlich von Reno. Das Ganze ist eine Mischung aus Kunstausstellung, Selbstdarstellung und Mega-Party. Diese drei Elemente wurden u.a. in der App AltspaceVR auf ein riesiges Areal übertragen. Es gab verschiedene Bühnen für Konzerte, Kunstausstellungen und natürlich endlos viele, digitale Installationen und Skulpturen. In seiner Gesamtheit wurde der typische Grundriss von Black Rock City übernommen. Wer hier in die Welt eintauchte, konnte sich treiben lassen, Menschen aus der ganzen Welt treffen, Kunst bewundern und ausgelassen feiern. Mit großem Erfolg. Die Entwickler:innen berichteten von begeisterten Burnern, die vor Glück in Tränen ausbrachen, weil sie dank Social VR ihre Community und ihr geliebtes Festival auf ganz neue Weise erleben konnten. Und zwar diesmal ohne den penetranten salzigen Sand in der Unterwäsche.
Glossar:
Collaboration in Social VR:
Hier können über die Welt verteilte Teams in gemeinsamen Räumen an Ideen und Projekten arbeiten. Die Atmosphäre wird an den Prozess angepasst; z.B. hell und klar für die Strategie, inspirierend und zum Wohlfühlen für Kreativität. Man kann dreidimensionale Mindmaps erstellen, auf Metaplanwände kritzeln sowie Präsentationen und Medien teilen und diskutieren.
Regelmäßiger Austausch wie in einem Salon, einem Club oder einer Bar – nur ohne Rauch und Taxi und zugänglich von jedem Ort der Welt mit gutem Internet.
Beispiel-Apps: AltspaceVR, VRChat, Rec Room, Big Screen
Business Events in Social VR:
Teilnehmende bekommen im Vorfeld Headsets geschickt und erleben dann Vorträge, Panels, Präsentationen und anschließendes Networking so spannend und intensiv, wie es 2D am Screen nicht möglich wäre. Auch hier sind bei Settings und Architektur der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Hoher Erlebnisfaktor, keine Reisezeit und kleiner CO2-Fußabdruck.
Beispiel-Apps: Horizon Venues, AltspaceVR
Entertainment in Social VR:
Karaoke singen, Talent Shows, Kartenspiele wie Poker oder Cards Against Humanity, gemeinsam Filme schauen, neue DJanes entdecken oder neue Comedians kennenlernen – die Welt des Entertainments ist riesig. Und genau wie in einem echten Comedy-Club macht es in VR gleich noch mehr Spaß, wenn man mit anderen gemeinsam lachen und feiern kann.
Beispiel-Apps: AltspaceVR, VRChat, Rec Room, Big Screen
Zur Person:
Christopher Werth ist Chief Metaverse Officer bei Vok Dams worldwide. Der vielfach ausgezeichnete Experte für Experiential Marketing studierte Theaterregie, inszenierte am Schauspielhaus Bochum, arbeitete als Copywriter u.a. bei Jung von Matt und Scholz & Friends und als Creative Director bei insglück. Er forscht zu Metaverse und VR, schreibt eine Gaming-Kolumne und hält Vorträge an Universitäten sowie bei internationalen Konferenzen.