Events, Messen oder auch die Gestaltung von Shops und Markenwelten kommen nicht ohne kreative Gestalter aus. Das sind in der Regel Architekten. Birgit Zittrich ist eine von ihnen, und eine die in allen Bereichen, die mit Marken und architektonischer Gestaltung zu tun haben, Erfahrungen gesammelt hat.
Birgit Zittrich kommt einem wie eine der selbstbewussten Frauen aus einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung vor. Immer passend gekleidet. Wäre es nicht Architektur geworden, hätte es auch die Mode werden können. Dabei ist sie keine Solistin, arbeitet gerne in Teams und weiß konzeptionelle oder inszenatorisch-dramaturgische Gedanken aufzunehmen.
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Acht Jahre hat sie an leitender kreativer Stelle für Complexx gearbeitet, aber ebenso lang ist sie wieder frei und arbeitet vom niederrheinischen Kempen aus. Unter anderem hat sie die große futuristische Zukunftskonferenz des Initiativkreis Ruhrgebiet auf Zollverein ausgestaltet. Sie verpasste der inzwischen auf Rückzug befindlichen Kanzlerin, den Größen von Wirtschaft und Industrie, dem Denker Richard Florida und den beteiligten Avantgardekünstlern das passende räumliche Ökosystem. Eine nicht alltägliche Herausforderung, die es schon auf die Titelseite von EVENT PARTNER schaffte.
Anmerkung der Redaktion:
Dieses Interview stammt aus dem Jahr 2018.
Wie sind Sie zur Architektur gekommen?
Ich wusste schon als Kind, dass ich etwas Kreatives machen wollte. Ich bin sehr farb-und materialaffin. Als Alternative hätte sich für mich Grafik- oder Modedesign angeboten, was ich auch sehr reizvoll finde. Innenarchitektur oder Architektur insgesamt finde ich aber noch etwas spannender, weil hier die Dimension des Raums mit einbezogen wird. Das ist sehr vielfältig und es ist auch schön, am Ende ein handfestes Ergebnis zu haben.
Was waren denn bislang Ihre Stationen?
Zunächst habe ich eine praktische Ausbildung als Maler- und Lackiererin gemacht, was mir auch immer zugutegekommen ist. Da hat man auch mal die andere Seite der Baustelle verstehen gelernt. Ich habe immer schon gerne handwerklich gearbeitet. Danach habe ich noch ein Jahr lang die Fachhochschulreife gemacht und dann in Düsseldorf Innenarchitektur studiert und den Diplom-Ingenieur gemacht. Daraufhin habe ich drei Jahre ganz klassisch im Retail-Bereich gearbeitet: Shop-Design, Shop-in-Shop-Systeme. 1998 habe ich dann im Messebau angefangen. Bis 2010 habe ich dann auch für mehrere Messeagenturen in leitender Funktion gearbeitet, als Leiterin der Design-Abteilung oder als Creative Director. 2011 habe ich mich dann selbstständig gemacht und bin seitdem freiberuflich für unterschiedliche Auftraggeber tätig. Ich möchte unabhängig bleiben und auch kein Büro mit vielen Angestellten haben. Es ist auch interessanter, für mehrere Unternehmen zu arbeiten, weil man da Einblicke in unterschiedliche Arbeitsabläufe erhält und mit unterschiedlichen Teams arbeitet. So wird die Arbeit nicht zur Routine und nie langweilig.
Was waren bislang Ihre spannendsten Projekte?
Spannend fand ich immer, wenn man bei einer Markeneinführung dabei sein durfte, beispielsweise damals die Umwandlung der RAG zu Evonik, weil ich da das Messekonzept entwickeln durfte und den Prozess von Anfang begleitet habe. Ich bin heute immer noch für Evonik tätig, jedoch im Innenausbaubereich. Über die Jahre hat sich da ein gutes Markenverständnis entwickelt.
Ein spannendes Innenarchitekturprojekt habe ich mit dem Architekturbüro Madako in Oberhausen für die Stiftung Mercator in Essen gemacht. Es war schön, dass man uns freie Hand gelassen hat. Es ging um das neue Verwaltungsgebäude, welches zum Teil neu- und zum anderen Teil umgebaut wurde. Es wurde sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Mitarbeiter sich mit einbringen durften. Für jedes Ressort wurde individuell ein Aufenthaltsbereich für informelle Meetings geplant. Wenn man eine große Idee bis zum Ende verfolgen kann, ohne größeren Restriktionen unterworfen zu sein, wird das Ergebnis auch sehr gut. Da ich vielfältig aufgestellt bin, von Messen, Events, Ausstellungen und Shop-Design bis zum Innenausbau für Unternehmen, empfinde ich aber jede einzelne Aufgabe als spannende Herausforderung.
Bild: krischerfotografie
Stiftung Mercator Innenausbau ...
Bild: krischerfotografie
... für das Architekturbüro Madako
Wo sehen Sie den größten Unterschied zwischen der klassischen Innenarchitektur und der temporären Architektur, wie der für Events und Messen?
Bei temporären Bauten kann man sehr viel mehr auf den visuellen Effekt setzen. Das ist ja auch das Schöne daran: Wenn es vielleicht in einem Lagerraum mal etwas eng wird, spielt das keine Rolle. Man muss sich mit weniger technischen Richtlinien und Normen auseinandersetzen. Ich sehe darin auch ein Spielfeld für neue Materialien und Formen, zudem kann man sehr frei agieren. Bei der klassischen Innenarchitektur geht es darum, dass vieles längerfristig angedacht ist. Der Mensch steht hier ganz klar im Mittelpunkt, dass er sich wohlfühlt ist bei der Gestaltung von Arbeitswelten oder öffentlichen Räumen unbedingt zu berücksichtigen. Temporäre Architektur ist eher ein Experimentierfeld. Deshalb finde ich es auch schön, dass ich beides machen kann. Da man sehr gefordert ist, aktuelle Trends einzusetzen, finde ich das auch so besonders faszinierend.
Gibt es etwas, das Sie überhaupt nicht mögen?
Es gibt so viele Dinge, die dazu beitragen, dass am Ende ein Event durchgeführt wird, ein Messestand oder ein Raumkonzept steht. Und da mag ich die Bauleitung nicht so gerne. Überhaupt das, was Abwicklung angeht. Ich sehe mich als diejenige, die sich die Dinge ausdenken darf. Natürlich begleite ich die Umsetzung, man will ja, dass es so umgesetzt wird, wie man sich das vorgestellt und mit dem Bauherrn und Kunden besprochen hat. Aber vor Ort die Kontrolle zu machen, das ist nicht so meins. Das können andere besser als ich.
Sie haben auch mit Eventagenturen zusammengearbeitet. Ist es Ihnen lieber, direkt mit Kunden zu arbeiten oder mit Agenturen?
Ich arbeite sehr gerne mit Agenturen zusammen, weil man da auch die Chance hat, Teil eines Teams zu sein und viele Disziplinen miteinander arbeiten. Das ist sehr anregend und ich schaue auch gerne über den Tellerrand hinaus. Wenn jemand dann ein gutes Grafikdesign erstellt oder eine gute Regie für eine Veranstaltung führt, sehe ich meine Aufgabe darin, wie man das Ganze in einem Raum umsetzt. Die meisten Projekte bei mir laufen so ab, dass ich für Agenturen arbeite. Seien es Event- oder Messeagenturen oder im Innenausbau Architekten und Fachplaner. Gerade Architekturprojekte sind heutzutage so komplex geworden, dass bei größeren Projekten Teams von 50 bis 100 Leuten zusammenkommen. Das wirkt manchmal unüberschaubar, aber man lernt ja auch voneinander.
Gibt es etwas, dass Sie noch unbedingt gerne machen würden?
Ich würde schon gerne mal wieder mehr Richtung Fashion machen, im Retail-Bereich für eine Modemarke oder einen Messestand. Das ist deshalb so zurückgegangen, weil es die entsprechenden Messen so nicht mehr gibt. Ich habe schon so viele schöne Sachen gemacht, ich freue mich auf jedes Projekt und versuche immer, das Beste aus den Möglichkeiten und den Briefing-Anforderungen herauszuholen. Es gibt jetzt nichts, was ich unbedingt noch verwirklichen will.
Das heißt, die Angebote, die Sie erhalten, sind eine Wundertüte, auf die Sie sich freuen?