Tipps und Eckpunkte für eine gute digitale Moderation
von Liane Rapp, Artikel aus dem Archiv vom
Viele Unternehmen haben ihre Events in die virtuelle Welt verlagert. Der Moderation kommt dabei eine besonders bedeutsame Rolle zu, sie ist das Bindeglied zwischen den Zuschauenden daheim am Laptop und dem Studio. Was müssen digitale Moderator:innen können, worauf kommt es an?
(Bild: Cristián Galvez)
In den nächsten Jahren wäre es wohl eh so gekommen, aufgrund der Corona-Pandemie ging es dann ganz schnell: Plötzlich fanden Führungskräftetagungen, Produktvorstellungen und Kundenevents als hybride und digitale Formate statt. Doch braucht es mehr als den/die talentierte:n Kolleg:in oder Chef:in, der in solchen Situationen normalerweise die Live-Performance übernimmt?
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Cristián Gálvez (51) arbeitet seit fast 30 Jahren als Moderator und Redner, auch auf internationalen Bühnen. 2019 interviewte er beispielsweise Barack Obama live vor über 14.000 Menschen. Seit einigen Jahren coacht er Top-Executives namhafter Unternehmen und entwickelt digitale Lernprogramme, neu seit September 2020 ist die Plattform moderieren-lernen.de. Hier vermittelt er Techniken und Methoden, um hybride und digitale Events professionell moderieren zu können: „Es geht um Interaktion, Aktivierung, Dialog, Technik und Verbundenheit im virtuellen Raum.“
Die Adressaten sind u.a. Mitarbeitende und Führungskräfte, die unternehmensintern virtuelle Events moderieren sollen und durch mehr Professionalität überzeugen möchten. Cristián Gálvez ermuntert die Aspirant:innen dazu, sich u.a. mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: „Wie erzeugst du trotz des Abstands ein Gefühl von Verbundenheit? Wie gelingen dir virtuelle Podiumsdiskussionen? Wie schaffst du es, lebendige und aktivierende Momente auch durch die ‚schwarze Linse‘ zu erzeugen? Und wie nutzt du die Studiotechnik, um deine Zuschauer vor den Monitoren noch mehr ins Programm zu ziehen?“
Die „4 K‘s“ erfolgreicher Moderationspersönlichkeiten
In diesem Zusammenhang, so Cristián Gálvez, gilt es vor allem die „4 K‘s“ erfolgreicher Moderationspersönlichkeiten zu berücksichtigen.
1. Klarheit
Hier geht es um Klarheit in der Rolle und Klarheit in der Sprache. Bei Klarheit in der Rolle dreht sich alles um das erkennbare Anliegen der Moderation. Im Eventbusiness, so Cristián Gálvez, gäbe es viele „sprechende Strumpfhosen“ und er meint damit bewusst sehr viele Männer. Deren erkennbares Anliegen sei es, zu gefallen oder sich zu produzieren. „Diese Protagonisten spielen Moderator:in. Dadurch wird die Performance beliebig. Eine gute Moderation will trotz der virtuellen Distanz Nähe herstellen und vor allem dem Publikum dienlich sein. Der Zuschauer spürt sehr deutlich, ob die Moderation ein solches Anliegen verfolgt.“
Klarheit bedeute aber auch Klarheit in der Sprache: „Online-Formate brauchen eine klare Sprache. Werkzeuge der modernen Rhetorik, die man verwenden sollte, sind etwa pyramidale Erzählstrukturen, Fünf-Satz-Techniken und Zielsätze. Sie sorgen für mehr Klarheit.“ Online-Moderation zeichne sich auch durch eindeutige Handlungsaufforderungen, sogenannte Call-to-Actions, aus: „Der Zuschauer vor dem Monitor kann nicht der Herde folgen, die er bei Präsenzveranstaltungen um sich hat. Deshalb braucht es Orientierung. Klarheit in der Sprache schafft Orientierung. Punkt.“
2. Kongruenz
Kongruenz steht für Stimmigkeit und die damit verbundene Glaubwürdigkeit: „Zuschauer sind Schwingungswesen. Deshalb haben sie auch ein Gefühl dafür, ob sich das Gesicht des Formats mit den Trends, Themen, Produkten oder Menschen wirklich auseinandergesetzt hat.“ Diese inhaltliche Auseinandersetzung und die damit verbundene Neugier für neue Themen seien für die Moderation digitaler Formate enorm wichtig: „Niemand möchte Lebenszeit am Monitor verschwenden mit Menschen, die nicht wirklich Ahnung haben. Auf einer klassischen Eventbühne verspielt sich vieles. Doch die Kamera deckt Unwissenheit auf grausamste Weise auf. Deshalb braucht eine gute Online-Moderation auch immer die Bereitschaft, sich für Menschen und Themen wirklich zu interessieren.“
3. Kompetenz
Das führt zum dritten K: Kompetenz. Kompetenz beziehe sich, so Cristián Gálvez, nicht nur auf die inhaltliche Kompetenz, sondern auch auf die technische und handwerkliche Kompetenz. Denn gerade bei digitalen Live-Events seien die Anforderungen sehr viel komplexer als bei klassischen Veranstaltungsmoderationen: „Trotz größter Sorgfalt und professioneller Studiotechnik läuft immer irgendetwas schief. Es braucht eine Moderation, die auch das souveräne Spiel mit den Kameras zur Verdichtung der eigenen Botschaft oder auch den Umgang mit einem zum Stream parallel laufenden Chat beherrscht. Da gibt es eine Menge zu beachten.“
4. Konsistenz
Genauso wichtig ist Cristián Gálvez Konsistenz. Dies beziehe sich einerseits auf einen durchdachten roten Faden in der Moderation, aber auch auf die Konsistenz der Wirkung der Moderationspersönlichkeit: „Gerade bei mehrtägigen Veranstaltungen ist der Moderator das vertraute Gesicht für die Zuschauer. Aus diesem Grund braucht es Konsistenz im Auftritt. Von guten Podcastern wie beispielsweise Gabor Steingart können wir diesbezüglich eine Menge lernen. Steingart verwendet im täglichen Morning Briefing immer den gleichen Eröffnungssatz. Es braucht die Konsistenz im Auftritt – von der ersten bis zur letzten Sekunde. Diese Vertrautheit schafft Sicherheit.“
Grundsätzlich bevorzugt Cristián Gálvez, wie die meisten Event-Moderator:innen, die Live-Performance. In den letzten Monaten hat er jedoch zahlreiche digitale und hybride Formate moderiert und auch zum Teil selbst produziert, so auch die Online-Plattform „Moderieren-lernen.de“, bei der er sich u.a. Unterstützung von der Corporate- und TV-Moderatorin Conny Czymoch holte.
(Bild: Cristián Galvez)
Herz auf, Brust raus
Er erläutert: „Die Vorbereitung auf ein virtuelles Event dauert bei mir fünfmal länger als die Vorbereitung auf eine klassische Eventmoderation. Aufgrund der besonderen Studiogegebenheiten entsteht deutlich weniger aus dem Moment heraus. Gerade deshalb braucht es ein verbindliches Textbook, das im Preproduction Meeting gemeinsam mit der Regie durchgesprochen wird. Hieraus ergibt sich die Bildauflösung. Für den Prozess ist es ungemein hilfreich, wenn bereits bei der Texterstellung auf Details geachtet wird. Welche Botschaft kommt in welche Kamera? Wo kann ein Lower-Third meine Aussage als Moderator verdichten? Und wo wünsche ich mir Musik, um längere Anmoderationen möglicherweise reizvoller zu gestalten? Aufgrund der Abstandsregeln stellen sich ganz praktische Fragen für Auf- und Abgänge, die wiederum Auswirkungen auf Text und Moderation haben.“
Online-Formate funktionieren vor allem dann, wenn für die Zuschauenden der echte Moment entsteht. Deshalb ist es laut dem gebürtigen Kölner besonders wichtig, sich als Moderator:in mit der richtigen Haltung in das Digital-Event zu stürzen. Er nennt es die zentrierte ungeteilte Aufmerksamkeit: „Alles, was das Publikum möchte, ist, dass du als Moderator deine Brust aufreißt und dein Herz zeigst. Das hat was mit Zentrierung, Offenheit, Begeisterung und Leidenschaft zu tun. Nur so entsteht Resonanz bei den Menschen, die wahrscheinlich im Homeoffice sitzen und einer außeralltäglichen Erfahrung beiwohnen möchten.“
Sprachmuster anpassen
Damit die gute Kommunikation noch besser gelingt, braucht es laut Cristián Gálvez Sprachmuster, die trotz der Distanz im virtuellen Raum ein Gefühl von Nähe erzeugen. Nur so entstehe bei den Zuschauer:innen das Gefühl, wirklich gesehen zu werden: „Ein hybrides oder digitales Event soll Menschen aktivieren.“ Letztlich gehe es darum, dass die Botschaften des Kunden in die Köpfe der Gäste transferiert werden. Diese Art der Kommunikation soll durch das Erzeugen von Emotionen die Wahrnehmung erweitern, eine neue Wahrheit schaffen, Einstellungen verändern und im besten Fall konkrete Handlungsimpulse und neues Verhalten anstoßen. Um dies zu erreichen, braucht es unterschiedliche Sprachmuster. Einerseits bedeute dies, eine Sprache des Miteinanders zu finden, im Sinne von „Sie sehen jetzt …“ oder öfter „wir“ anstelle von „ich“ zu benutzen. Für Cristián Gálvez ist eine Online-Moderation deshalb wie eine Art Mindhacking, das sich tief in die Köpfe der Zuschauer eingräbt.
Digital-Barriere überwinden
Ein langjähriger Weggefährte von Cristián Gálvez ist Steve Multer aus Chicago, einer der erfolgreichsten Corporate-Moderatoren der USA, der auch als Coach sehr gefragt ist. Nicht nur, dass er etwa für die US-Plattform Splunk mehrere digitale Events hostete und deren Format conf20 mitentwickelte. Im Juni moderierte er für Cisco Live US ein Event mit 1,5 Millionen Zuschauenden. Und auch wenn auch er am liebsten face-to-face vor seinem Publikum steht, so sieht er auch all die positiven Aspekte, die der virtuelle Austausch mit sich bringt: „Zum einen erhalten so viel mehr Menschen die Möglichkeit, daran teilzuhaben. Zum anderen fokussieren sich die meisten Redner besser. Und die Kosten, die nun für Logistik und Overhead eingespart werden, investieren viele in technische Infrastruktur und eben die Professionalisierung ihrer Moderatoren – wobei ich gern unterstütze.“ Denn er weiß um die unsichtbare, aber fühlbare Barriere, die bei Digital-Events zwischen den Performern und Zuschauern besteht: „Nur gute Moderatoren schaffen es, diese zu überwinden, auch indem sie direkt in die Kamera blicken können und es schaffen, ihre Energie bis ins Büro ihres Publikums zu beamen. Das ist unsere aktuelle Herausforderung!“
Krisen können beflügeln
Diese Herausforderung galt es auch zu managen, wenn – wie es in den letzten Jahren immer wieder passierte – in einzelnen Bundesländern und Kommunen aufgrund steigender Infektionszahlen von einem Tag auf den anderen Zusammenkünfte nicht mehr möglich waren. Diese Situation erlebte auch der Kölner DigiHealth Scout und Moderator von Medizinthemen Dr. Gerd Wirtz: „24 Stunden vor einem lange geplanten Workshop für die Mitarbeiter einer Krankenkasse kam das Aus für die Live-Veranstaltung in Berlin. Also habe ich vor Ort zusammen mit dem Kunden und der Haustechnik über Nacht eine virtuelle Version von Vortrag und Workshop-Tag konzipiert. Inhaltlich ging es darum, gemeinsam Möglichkeiten zu erarbeiten, Ärzte dabei zu unterstützen, in kleinen Schritten die Innovationen der digitalen Medizin nutzbar zu machen. Am Ende waren trotz der ungeplanten Veränderungen die Teilnehmer absolut zufrieden. Da sieht man mal, dass Krisen die Kreativität und Flexibilität auch beflügeln können.“