Es ist erst wenige Jahre her, da war das Etikett „nachhaltig“ nicht viel wert. Es war ein Minderheiten- und Nischenthema. Das hat sich geändert. Immer mehr Menschen in verantwortlichen Positionen werden sich bewusst, dass es nur eine Erde gibt und dass man mit Ressourcen, Menschen und Tieren sorgsam umgehen muss. Auch in der Eventbranche wird nachhaltiges Denken und Handeln mittlerweile durch alle Gewerke dekliniert, auch wenn es noch nicht überall angekommen ist. Der Branchenverband FAMAB hat sich dabei an die Spitze gestellt und ein eigenes Siegel geschaffen. Nachhaltigkeit ist ein Faktor, mit dem gerechnet wird.
Allerdings ist das Greenwashing die andere Seite der Medaille. Oder Inkonsequenz. Das „Zweierlei vom Rindfleisch“ und der weit gereiste norwegische Biolachs bei einem deutschen Nachhaltigkeitspreis, der mehr für seinen roten Teppich als für die Inhalte Aufmerksamkeit schafft, sind solche Phänomene. Man wünscht sich mehr frische Ideen. Am besten Geniale. Jüngst wurde der französische Nachwuchsdesigner Samy Rio durch die Gazetten gereicht, weil er massentaugliche Bluetooth-Lautsprecher und einen Föhn mit CE-Zeichen anstatt aus Kunststoff aus nachwachsendem Bambus gebastelt hat.
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Nachhaltigkeit nicht als Kosmetik betrachten
2012 befragten wir zuletzt Rainer Lucas vom renommierten Wuppertal Institut. Lucas kam damals zu dem Urteil: „Vielfach wird nur an einzelnen Punkten angesetzt, statt ganzheitlich vorzugehen. In der Eventbranche herrscht keine durchgängige Mainstreaming-Strategie, in der sich die Marktführer kontinuierlich mit dem Thema auseinandersetzen. Es ist eher eine Nischenstrategie.“ Heute sieht er Verbesserungen, die Bemühungen aber als noch nicht ausreichend, die Kriterien noch nicht als wirklich nachvollziehbar an. Das Wuppertal Institut war vom FAMAB angefragt, blieb aber zum Schluss außen vor. Lucas betont, dass man seitens des Instituts gerne einmal ein nachprüfbares Modellprojekt mit harten Kriterien evaluieren würde. Bislang ist es noch nicht dazu gekommen. Also viel heiße Luft? Im CO2-Bereich hätte sich schon viel Konkretes zum Positiven getan, so Lucas, allerdings kämen die anderen Nachhaltigkeitskategorien immer noch zu kurz und die Bilanzen wären bei den harten Fakten noch zu wenig nachprüfbar. Bekennerschreiben und Absichtserklärungen gäbe es dagegen viele.
Aber werden wir einmal grundsätzlich. Prof. Dr. Lutz Becker, Ökonom an der Hochschule Fresenius in Köln, stellt sich vor allem die Frage, „wie Unternehmen dazu strategisch beitragen können, nachteiligen ökologischen, sozialen, kulturellen und nicht zuletzt auch wirtschaftlichen Bedingungen Einhalt zu gewähren, die ihren eigenen Bestand auf Dauer gefährden werden. Wie kann man Prosperität dauerhaft sichern, ohne zugleich bei diesem Versuch weiter an dem Ast herumzusägen, auf dem wir sitzen?“ Für Becker werden bestimmte Geschäftsmodelle, Technologien und Verfahren auf Dauer keinen Bestand mehr haben, wenn der Ressourcenverbrauch unangemessen ist oder wenn die gesellschaftliche wirtschaftliche Entwicklung dadurch nicht gefördert wird. Andererseits eröffnet sich ein riesiges Potenzial an Substitutionsgeschäften, wie z. B. das Ersetzen umweltschädlicher und damit auf Dauer unwirtschaftlicher Energiegewinnungsanlagen durch neue umweltfreundliche Technologien. Unternehmen sollten laut Professor Becker Nachhaltigkeit nicht als Kosmetik betrachten, sondern dazu nutzen, immer wieder Wertschöpfungs- und Geschäftsmodelle systematisch zu hinterfragen.
Als gutes Beispiel dient Professor Becker der mittelständische Wurstproduzent Rügenwalder Mühle: „Angesichts des globalen Wachstums der Fleischindustrie und der unerträglichen Umwelt- und Klimaschäden durch Methan oder Abholzung von Regenwäldern wird dieser Industrie zunehmend die Legitimationsbasis entzogen. So sieht Rügenwalder-Geschätsführer Christian Rauffus die Gefahr, dass Wurst die Zigarette der Zukunft wird. Um dieses Risiko abzufedern und den Bestand des Unternehmens zu sichern, setzt er konsequent auf vegetarische Wurstwaren.“
Umsteuern in allen Bereichen
Im Moment sind wir dabei, mehr als eine Erde für die Menschheit zu verbrauchen. Das kann nicht gut gehen. Das Hinterfragen und Umsteuern muss in allen Branchen und Bereichen erfolgen. Gut ist der dran, der frühzeitig neue Geschäftsmodelle entwickelt. Vok Dams war der erste in der Branche, der sich im großen Maßstab über CO2 Gedanken machte. Nico Ubenauf von satis&fy ist ein weiterer Pionier der Nachhaltigkeit und zwar bei den Production Companies. Es gibt noch viel zu tun. Die Nachhaltigkeit braucht weitere Helden. Das Bild ist noch nicht einheitlich.
Unsere drei Caterer am Round Table wissen, dass sich weniger Verschwendung rechnet, räumen aber auch ein, dass der Einkauf manchen Nachhaltigkeitsüberlegungen einen Strich durch die Rechnung macht. Hier geht´s zum Round Table Talk “Food Waste” mit Georg Broich, Farroch Radjeh von FR Catering (Würzburg) und Andreas Hüttmann von Der Party Löwe aus Hannover.
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