108 Jahre Textilgeschichte, jetzt wird’s digitaler
Wechsel beim Corporate-Fashion-Hersteller Daiber
von Julia Jeworowski,
Fast ein halbes Jahrhundert lang hat Rolf Daiber das Familienunternehmen im schwäbischen Albstadt geleitet. Ab Januar 2021 schreibt sein Neffe Kai Gminder die 108-jährige Geschichte des Corporate-Fashion-Herstellers in vierter Generation fort.
Rolf Daiber blickt mit Stolz auf die hinter ihm liegenden 46 Geschäftsjahre zurück. Der 65-Jährige führt den Familienbetrieb in dritter Generation und hat ihn von Glitzer- über Dino-Motive bis hin zu Caps zum größten Hersteller von Werbetextilien in Europa ausgebaut. Zum Jahreswechsel soll sein Neffe Kai Gminder die Verantwortung für die Gustav Daiber GmbH und die 120 Mitarbeiter übernehmen. Aktuelle Themen wie Digitalisierung, Detox und Lieferkettengesetz liegen dann in jüngeren Händen. Im Ruhestand steht Daiber, der von seinem Neffen als emotional, aber stets fair und ehrlich in der Zusammenarbeit beschrieben wird, dem Unternehmen weiterhin beratend zur Seite. Er möchte aber auch seinen Hobbys wie Segeln und Reisen nachgehen und die bevorstehende Freiheit genießen. Mit Langeweile rechnet der langjährige Vollblutunternehmer nicht.
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Von Gummilitzen, Nähfäden & Knöpfen zum Fashionhersteller
Im Februar 1912 gründet Rolf Daibers Großvater, Gustav Daiber, das Familienunternehmen als Handelsvertretung für Textilzutaten im schwäbischen Albstadt. In den nachfolgenden Jahren handelt er mit Gummilitzen, Nähfäden und Knöpfen. Ab 1950 führt Rolf Daibers Vater, Walter Daiber, die Geschäfte in zweiter Generation fort. Er bleibt dem Handel mit Textilzutaten insbesondere für die Unterwäscheproduktion treu, erkennt aber, dass der Schlüssel zum Erfolg in der eigenen Produktion und im Import liegen. Er stellt zusätzlich Schleifen für die lokale Miederindustrie her. Gut ein Jahrzehnt später werden sie aus Italien importiert, aus Frankreich kommt elastische Raschelspitze hinzu.
1974 löst Rolf Daiber seinen Vater an der Firmenspitze ab. Den Einstieg ins Berufsleben empfindet der damals 19-Jährige eher als lästige Pflicht. „Man wird herausgerissen aus dem Lernprozess, wo man gefühlt täglich Erfolge erzielt, während im Berufsleben alles anders ist, und die Erfolge erst viel später sichtbar werden“, erinnert sich Daiber. Doch bereits als junger Geschäftsführer ist ihm klar, dass er nicht am „alten Konzept“ der Firma festhalten möchte. Er plant, den Betrieb zu modernisieren und das Werk in eine Produktionsstätte umzuwandeln.
Glitzer- & Dino-Motive veredeln Daiber-Textilien
Als es zu Problemen beim Bezug von Gummilitzen kommt, wagt der junge Daiber schon früh den Sprung nach Asien und gewinnt in Taiwan neue Lieferanten. Dieses Erfolgserlebnis bestärkt ihn darin, fremdes Terrain zu betreten. Er sichert sich die Alleinvertretung des ersten Herstellers von Transfermotiven in Deutschland und verändert die Ausrichtung vom reinen Händler für Textilzubehör zum Veredler. Wiederum ein Jahr später kauft er vier Stickautomaten, gründet eine Stickerei, stellt neue Mitarbeiter ein. Als das damalige Lebensgefühl „Discofieber“ aufkommt, liegt Glitzermode im Trend. Daiber druckt mit Offset-Maschinen Glitzermotive auf T-Shirts. Einen weiteren Hype löst die Dino-Welle in den 90er Jahren aus und landet mit einer Reihe eigener Dino-Motive auf den Produkten der Firma Daiber.
Mit Caps gegen die Textilkrise
Doch dann geht die Nachfrage zurück. „Mit dem Untergang der Textilbranche in Europa Mitte der 90er Jahre war unsere Existenz extrem gefährdet“, erinnert sich Daiber. Nicht nur Aufträge fehlen, sondern zahlreiche Abnehmer melden Konkurs an. In der Krise wittert Daiber jedoch eine neue Chance. Er möchte Caps fertigen und nimmt in Hongkong zwei chinesische Produzenten unter Vertrag. Im Mai 1996 laufen die ersten Container mit rund 154.000 Caps im Hamburger Hafen ein. Die Firma Daiber wird zu einem der größten Cap-Lieferanten in Europa und zur Nr. 1 in Deutschland. Aus Daiber Caps entsteht die erste Eigenmarke des Unternehmens, „Myrtle Beach“. Bald darauf entert mit „James & Nicholson“ eine weitere Eigenmarke den Markt, diesmal mit Werbe- und Funktionsbekleidung. Die wichtigsten Standbeine des Unternehmens sind mittlerweile Promotion-, Sport-, Freizeit-, Business- und Workwear.
In vierter Generation wird’s digitaler
Jetzt legt Daiber die Zukunft der Firma in die Hände seines Neffen. Kai Gminders Gesicht ist bei den Mitarbeitern kein unbekanntes. Schon als Schüler hilft er in der Druckerei und Bügelei aus. Ins Familienunternehmen einzusteigen, erwägt Gminder anfangs jedoch nicht. „Mein Traum war es immer, etwas mit Architektur oder Bauingenieurwesen zu machen“, sagt der heute 43-Jährige und beendet nach dem Abitur eine Lehre als Bauzeichner. Erst als er seinen Onkel zu einer Geschäftsreise nach Hongkong begleitet und dort die Werbeartikelwelt besser kennenlernt, wächst der Wunsch, die Zukunft von Daiber mitzugestalten. Gminder studiert Betriebswirtschaftslehre, beginnt einige Jahre darauf im Vertrieb der Firma Daiber, wird schließlich Vertriebsleiter. Seit 2012 verantwortet er die Bereiche Marketing, Vertrieb und Einkauf.
Als Geschäftsführer plant der Albstädter die bisherigen Kooperationen und Textil-Kollektionen, die Veredelung mit Stick und Druck sowie den Veredelungs-Service fortzuführen. Vorantreiben möchte er auch die Digitalisierung im Unternehmen. „Wir starten 2021 mit einer neuen Softwarelösung zur Steuerung unserer internen Geschäftsprozesse und bauen bereits jetzt Online-Tools, mit denen wir die Händler unterstützen.“ Mit der optimierten Logistik, neuer Software und Webshop in Kombination mit der Veredelung plant Gminder die Spitzenposition des Familienunternehmens in der textilen Werbemittelbranche in Europa weiterhin zu behaupten. Auch Daiber glaubt an die Fertigkeiten seines Neffen: „Ich traue meinem Nachfolger zu, dass er das Schiff auch ohne mich sicher in die Zukunft steuert.“ [13943]