Wenn die Politik sich in die Sicherheitsplanung einmischt
von Sabine Funk, Artikel aus dem Archiv
Vom Umgang mit Schutzpersonen, der unterschiedlichen Auslegung des Versammlungsrechts sowie zu lösenden problematischen Sachverhalten in der Sicherheitsplanung von Veranstaltungen, „weil die Politik das so will“: Unsere Autorin Sabine Funk plädiert für eine bessere Rechtsgrundlage in der Veranstaltungssicherheitsplanung.
Als ich zusagte, etwas über „politische“ Veranstaltungen zu schreiben, dachte ich zuerst, etwas über Schutzpersonen, Personenschützer und die Einbindung unterschiedlicher Interessen zu schreiben. Das wäre aber ein sehr kurzer Text geworden, da die Einbindung und die Zusammenarbeit gerade in Bezug auf Politiker und den Verantwortlichen für deren Sicherheit in den allermeisten Fällen extrem professionell verlaufen:
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Meist professioneller Umgang: Personenschützer und ihre Schutzpersonen
Informationen werden eingeholt, ausgetauscht und die Schutzziele „der anderen“ bei der Planung berücksichtigt. Das kann zu Umplanungen und besonderen Anforderungen führen, läuft in den meisten Fällen aber reibungslos und hoch professionell. Zumindest solange daran Leute beteiligt sind, die jeweils auf ihrem Gebiet wissen, was sie tun. Problematisch wird es immer dann, wenn „Geheimhaltung“ mit ins Spiel kommt: Aussagen wie „Wir kümmern uns schon um die Sicherheit des Ministers, alles andere muss Sie nicht interessieren.“ sind natürlich schwierig, da neben dem Minister auch noch „mein“ Personal, mein Stagemanager, meine Besucher anwesend sind, um deren Sicherheit ich mich nun mal kümmere. Da ist es natürlich unabdinglich, von möglichen Gefährdungen, die oder deren abwehrende Maßnahmen Einfluss auf den Veranstaltungsablauf haben können, Kenntnis zu erlangen. Das passiert glücklicherweise aber wirklich nur noch sehr selten. Hier heißt es dann: Hartnäckig bleiben. Informationen fordern und Rückgrat beweisen. Klappt meistens dann doch noch.
Schwieriger wird es, wenn der nicht von einem professionellen Sicherheitsstab umgebene Lokalpolitiker glaubt, dass sein Amt ihn ermächtigt, sämtliche Notausgangsbeschilderung außer Kraft zu setzen oder aber das „Ego“ des Amtes zuschlägt. Wenn der OB seine Gäste unbedingt während der laufenden Veranstaltung mit dem PKW durch die Besuchermenge anfahren lassen möchte, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Aber auch hier helfen meist profunde Argumente und – vor allem – eine gute Dokumentation.
Unterschiedliche Auslegungen des Versammlungsrechts
Spannender wird das Thema, wenn es um politische Inhalte geht, und Fragen der Veranstaltungssicherheit entweder politisch instrumentalisiert oder ignoriert werden. Auch das Versammlungsrecht, das unbestritten ein hohes Gut ist, macht – je nach Auslegung – Dinge schwierig oder möglich. So wurde in 2016 ein im Rheinenergie-Stadion geplantes Kurdenfest „aus Sicherheitsgründen“ abgesagt(1) – erlaubt wurde stattdessen aber eine Demonstration in gleicher Größenordnung mit den gleichen handelnden Personen. Dies ist insofern bemerkenswert, da die Stadionveranstaltung mit dem Verweis auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abgesagt wurde.
Gleichermaßen problematisch und viel diskutiert das Rechtsrock-Konzert in Themar im Juli 2017(2): Umgeben von Zäunen, mit Szenefläche, Zugangsbeschränkungen etc. eigentlich alle Kriterien für eine Veranstaltung aufweisend (und damit natürlich eigentlich bestimmten Auflagen und Vorgaben unterliegend), wurde die Veranstaltung durch das Oberverwaltungsgericht als Versammlung gewertet, da Meinungsäußerung auch in musikalischer Form erfolgen könne(3). Da kann man es durchaus verstehen, dass der eine oder andere sich wundert und fragt, wie es denn sein kann, dass es für die einen Veranstaltungen (möglicherwiese sehr hohe) Auflagen gibt und für die anderen Veranstaltungen nur die sehr sparsamen Auflagen des Versammlungsrechtes gelten. Neben der Sicherheit der Besucher spielen hier u.a. auch finanzielle Überlegungen eine Rolle: Es macht schon einen Unterschied, man 500 Meter Absperrungen mieten muss oder ob die Polizei das Material nicht nur kostenfrei zur Verfügung stellt, sondern praktischerweise auch noch auf- und abbaut.
Politische Instrumentalisierung von Veranstaltungssicherheit
So richtig spannend wird es dann, wenn „die Politik“ sich in die Planung oder Durchführung einmischt und aus der Veranstaltung auf einmal eine politische Veranstaltung wird – ohne dass es etwas mit anwesenden Personen oder politischen Inhalten zu tun hätte. Das beginnt mit einem „Da müssen wir doch noch mal drüber reden“-Termin, in dem Anforderungen diskutiert werden (die man meist mit guten Argumenten und etwas Standfestigkeit gut überstehen kann), und endet mit einem Termin beim Oberbürgermeister (bzw. dessen Vertreter), in dem man mitgeteilt bekommt, wie es zu laufen hat. Hier helfen gute Argumente meist nicht mehr.
Die meisten Veranstaltungs- und Sicherheitsplaner haben sich schon einmal in einer Situation befunden, mit Dingen umgehen zu müssen, „weil die Politik das so will“. Das beginnt mit Veranstaltungen, die unbedingt stattfinden müssen, auch wenn z.B. der Platz eigentlich nicht geeignet ist („Das kriegen Sie schon hin.“), und endet mit Abschrankungen, die nicht aufgebaut werden können, weil sie nicht hübsch genug sind („Wir wollen ja schöne Bilder im Fernsehen.“). Da nutzt es auch nichts, wenn auf operativer Ebene alle der Meinung sind, dass die Abschrankungen notwendig sind – die Entscheidung wird dennoch auf einer Ebene getroffen, auf der es lange nicht mehr um Abschrankungen, sondern um Wohlwollen und Aufstieg geht. An dieser Stelle ist der Veranstaltungs-/Sicherheitsplaner gefragt: In erster Linie gilt es natürlich immer, konstruktive Lösungen zu finden. Lassen sich die Abschrankungen mit Hussen aufhübschen? Sind andere Abschrankungen möglich, die dennoch das Schutzziel erreichen? Vielleicht auch ein komplett anderer Aufbau? Irgendwann kommt aber ein Moment, an dem man sich entscheiden muss, ob man das noch mitmacht.
Bei allem notwendigem Respekt vor den jeweiligen Ämtern gilt hier das Festhalten am eigenen Sachverstand. Solange diese Gespräche intern und hinter verschlossenen Türen stattfinden, helfen an dieser Stelle manchmal klare Worte (auch wenn natürlich jedem klar ist, dass dies – und das ist ehrlicherweise nicht so selten, wenn erst einmal die Politik oder Menschen mit politischen Ambitionen mitmischen – das Ende der eigenen Beauftragungshistorie in der Stadt/dem Kontext sein kann). Nahezu verloren (oder zumindest sehr herausfordernd) ist die Situation, wenn diese Meinungsbekundungen von politischer Seite öffentlich stattfinden. Wenn ein Innenminister vor laufender Kamera seine Meinung abgibt, wie er dieses oder jenes in Bezug auf die Veranstaltung beurteilt, dann ist das schwierig und zwingt eine Vielzahl von Beteiligten zum – dann nicht mehr immer ganz neutralen – Handeln. Nicht wenige werden sich z.B. gefragt haben, was der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Mendig wohl gedacht hat, als er den Tweet seines Innenministers gelesen hat: „RAR, meine dringende Empfehlung an den Veranstalter und die VGV Mendig als Genehmigungsbehörde für ‚Rock am Ring’: das war’s für 2016“ (4). Getoppt wird das Ganze noch, wenn dies alles jeweils zu Wahlkampfzeiten stattfindet – wenn es nicht mehr um Inhalte und Argumente, sondern um Profilierung und Meinungsmache geht, und darum, wer als erster mit welchem Statement nach außen geht.
Fehlende gesetzliche Regelungen für Veranstaltungssicherheit
Auf der anderen Seite – auf der Politischen, also da, wo die Politiker im Rahmen ihrer Fachkompetenz wirklich etwas bewirken können – fehlt diese Energie und das notwendige Commitment meist: Wir lavieren weiterhin mit „Orientierungsrahmen“ herum, mit Verordnungen, die trotz bekannter Lücken in Ermangelung von Alternativen auch außerhalb ihres eigentlichen Geltungsbereiches herangezogen werden. Wir sprechen über „Crowd Management“, Personenstromlenkung und die Qualifizierung des Ordnungspersonals, müssen aber gleichzeitig akzeptieren, dass die Menschen, die für die Sicherheit der Veranstaltung (auch) verantwortlich sind, sich in Sachen Rechtsgrundlage weiterhin mit ein paar – und dazu auch noch vollkommen unpassenden – Paragraphen in der Gewerbeordnung begnügen müssen.
Gerade ist wieder Wahlkampfzeit. Während die Veranstaltungs- und Sicherheitsplaner im Rahmen ihrer Möglichkeiten nun also dafür sorgen, dass die „politischen“ Veranstaltungen sicher und geordnet ablaufen, wäre es doch wünschenswert, wenn die Politiker im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Umfeld hierfür schaffen würden.