R.I.F.E.L.-Studie „Zukunft der Live-Kommunikation“ aus Kundensicht
Wie sieht das New Normal der Live-Kommunikation aus?
von Cornelia Zanger,
Prof. Dr. Cornelia Zanger, Head of Event Research an der TU Chemnitz und wissenschaftliche Leiterin der R.I.F.E.L.-Studie „Zukunft der Live-Kommunikation“ klärt auf, in welche Richtung sich die Veranstaltungswirtschaft aus Kundensicht verändern muss, um (weiter) erfolgreich zu agieren.
(Bild: Pexels)
Die LiveCom-Branche steht infolge der digitalen Transformation und deren Beschleunigung durch die COVID-19-Pandemie vor dem größten Umbruch seit Bestehen. Wie verändern sich Veranstaltungsformate? Welche neuen Akteure bestimmen die sich verändernden Wertschöpfungsketten? Welche Rolle spielt die digitale Kompetenz? Welche neuen Strategien muss die LiveCom-Branche adaptieren? Brennend aktuelle Fragen, auf die die neue Studie des Branchenforschungsinstitutes R.I.F.E.L. e. V. (Research Institute for Exhibition and Live-Communication) in der Studie „Zukunft der Live-Kommunikation“ aus Sicht der Kunden als Auftraggeber der Unternehmen der LiveCom-Branche Antworten sucht und findet.
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Zu dieser qualitativen Studie wurden Führungskräften aus den Bereichen Marketing/Kommunikation von zehn international tätigen deutschen Konzernen aus den Bereichen Automotive, Chemie, Transport, Technologie, Banken, Telekommunikation, Elektro, Reinigungssysteme, Pharma und Medizintechnik befragt.
Strategische Neupositionierung
Alle Wertschöpfungspartner sind angesichts der zwei Jahre COVID-19-Pandemie verunsichert, d. h. nicht nur die LiveCom-Branche sondern auch die Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen der Auftraggeber. Prozesse der strategischen Neupositionierung wurden beschleunigt. COVID-19 hat der begonnenen Digitalisierung einen kräftigen Schub gegeben und eine Akzeptanz für digitale und hybride Formen geschaffen. „Künftig wird weniger nur live oder nur digital, sondern ganz viel hybrid sein“, sagt Klaus Gödert, Messe- und Veranstaltungschef der BASF SE.
Die wichtige positive Nachricht: Live-Kommunikation steht nicht zur Disposition. Die Kunden sind sich einig, dass die Emotionalisierung der Teilnehmenden, das „Gänsehautgefühl“ bei immersiver Live-Kommunikation unverzichtbar für die Vermittlung von einzigartigen Markenerlebnissen ist. „Echte Fahrerlebnisse und haptische Produkteindrücke kann man digital nicht erleben“, betont Alexandra Landers, Global Head of BMW Group Press & PR Events. Aber auch für das persönliche (vertrauliche) Gespräch, das Kennenlernen neuer Partner und das gerade in einer stark digitalisierten Welt notwendige Networking sind reale Live-Veranstaltungen auch in Zukunft relevant.
Allerdings werden sich Anzahl und Größe der Veranstaltungen verändern. „Reduce to the Max“ ist das Ziel der strategischen Neupositionierung der Unternehmenskommunikation. Deshalb werden Veranstaltungsportfolios und insbesondere auch Messeportfolios neu definiert. Ziele müssen präziser bestimmt werden und den wirtschaftlichen Erfolg der Messe oder des Events in den Blickpunkt rücken. Die Anzahl der Veranstaltungen wird reduziert. Es werden fokussierte (Fach-)Veranstaltungen und Messen favorisiert vor breiten Massenveranstaltungen. Die Veranstaltungsgrößen werden optimiert, indem Zielgruppen genauer bestimmt, „spitzer“ definiert und eingeladen werden. Die Veranstaltungsorte werden reduziert, da durch die hybride Verlängerung von Veranstaltungen Zielgruppenmitglieder auch auf digitalem Weg erreicht werden können. Insbesondere im Messebereich soll eine Konzentration auf wichtige Märkte erfolgen. Auch regionale Messen, Hausmessen und Roadshows werden in den Blick genommen. Die Messestände werden tendenziell kleiner und auch Reisekosten, Übernachtungskosten, Logistikkosten usw. werden eingespart.
Aber: Die Kommunikationsbudgets werden tendenziell der Höhe nach beibehalten, nur innerhalb der Budgets wird von live zu digital und hybrid umstrukturiert. Wichtig ist die Erkenntnis, die Alexandra Landers von der BMW Group so formuliert: „Virtuell bedeutet nicht unbedingt kostengünstiger. Neue Technologien eröffnen tolle und innovative Möglichkeiten der Inszenierung, sind cool und fancy, aber einfach auch sehr kostspielig.“
Veränderte Wertschöpfungsketten und stabile Partnerschaften
Das „Eco-System“ Veranstaltungswirtschaft verändert sich einerseits, indem neue Akteure mit vielfältigem digitalem Know-how in Technik, Technologie, Content und Inszenierung integriert werden. Andererseits wird auf bewährte Partner sowohl im Agentur- als auch im Dienstleistungsbereich zurückgegriffen, in deren Expertise, Leistungsfähigkeit und Flexibilität bereits hohes Vertrauen besteht. „Die Live-Kommunikation lebt von langjährigen Partnerschaften, von Vertrauen, sonst funktioniert alles nicht“, stellt Steffen Straub, Head of Event- und Live-Communication-Management der Deutsche Bahn AG klar heraus.
Erfolgreiche Agenturen und Dienstleister aus der LiveCom-Branche haben deshalb sehr schnell auf die neuen Kundenanforderungen nach digitalen und hybriden Veranstaltungen reagiert und entweder eigene digitale Kompetenzen aufgebaut oder Technikpartner in die Wertschöpfungskette aufgenommen. Die effiziente Zusammenarbeit der Partner innerhalb der LiveCom-Branche und mit ihren Kunden im Wertschöpfungsnetzwerk ist Voraussetzung für die strategische Neuaufstellung und den künftigen Erfolg.
Bei der Suche nach neuen Wertschöpfungspartnern ist Empfehlungsmarketing insbesondere auch im internationalen Geschäft sehr wichtig, betonen die Marketingmanager, aber auch der Blick „out of the Box“ bringt Inspiration bei der Suche nach neuen Partnern, z. B. aus dem TV-/Film-Bereich, der Musikszene, dem Social-Media-Bereich oder von Gaming-, Fashion- und Lifestyle-Plattformen.
Veränderung der Veranstaltungsformate
Die größten Veränderungen hat die COVID-19-Pandemie bezüglich der Veranstaltungsformate gebracht:
Vor COVID-19 waren in Live-Veranstaltungen durchaus digitale Tools (XR, Streaming über Social Media, digitales Teilnehmermanagement usw.) integriert, aber rein digitale Veranstaltungen waren die Ausnahme.
Während COVID-19 wurden digitale Formate etabliert und diese werden tendenziell für Veranstaltungen mit einem hohen Informationsgehalt wie Kongresse, Meetings u. ä bleiben bzw. live ergänzt und/oder verlängert wie durch ganzjährige Messeplattformen.
Nach COVID-19 werden Veranstaltungen sowohl real-live, als auch digital und hybrid sein, die Grenzen verschwimmen und die Formate der Live-Kommunikation wie Events, Messen und Ausstellungen oder Meeting- und Kongressformate wachsen zusammen auf einer ganzheitliche Kommunikationsplattform.
Hybride Veranstaltungen stellen aber nicht nur technisch hohe Anforderungen, sondern erfordern auch innovative Konzeptionen. Die Inszenierungsstränge real-live und online müssen eigenständig geplant, aber inhaltlich fest verbunden sein, um die zwei medial unterschiedlich beteiligten Zielgruppen zu erreichen. „Hybrid ist nicht das alte Niveau, da hybrid zwei Felder bedienen muss, und es ist auch nicht einfach 1+1=2 sondern eher 2 ½, da die Verbindung und Integration der Formate hergestellt werden müssen“, betonte in diesem Zusammenhang Stefanie Winter, Leiterin Event der Siemens AG.
Eine besondere Herausforderung stellt die Immersion der Teilnehmenden in eine Erlebniswelt auf digitalem Weg dar. „Wenn digitale Events nur reine Abbilder physischer Events darstellen, wird wahrscheinlich immer das Live-Erlebnis bevorzugt. Dadurch wird auch nichts Innovatives entstehen. Wenn aber die Möglichkeiten der verschiedenen Realitätsebenen virtueller Räume erschlossen werden, dann werden wir Events kreieren und erleben, die weit über die Grenzen bisheriger hinausgehen“, entwickelt Michael Müller, Head of Brand Activation & Special Projects bei Samsung Electronics seine Vision.
Neue Anforderungsprofile in der LiveCom-Branche
Die Anforderung an die LiveCom-Branche werden in einer immer komplexeren Umwelt auch künftig weiter wachsen. Die Kunden fordern strategisch mitdenkende Partner, die lösungsorientiert arbeiten, Verantwortung für die Ergebnisse statt nur für die Produktion der Veranstaltung übernehmen sowie innovationsfähig und kreativ sind. Die Kunden erwarten „mutige“ Agenturen, die außergewöhnliche neue Ideen haben und diese in kreativen Konzepten umsetzen.
Die Agenturen müssen zu medienstrategischen Beratern ihrer Kunden werden, d. h. sie müssen den Auftraggeber verstehen hinsichtlich seiner Markenphilosophie, der Positionierung und seiner Zielgruppen und ihre Beratungskompetenz entlang der Customer Journey in die Konzeptentwicklung einbringen sowie auf ein funktionsfähiges Partnernetzwerk zurückgreifen können. Flexibilität ist angesichts der fragilen Markt- und Umweltbedingungen selbstverständlich. „Agiles Vorgehen ist notwendig und auch ein kurzfristiges ‚Umplanen‘ muss beherrscht werden“, fordert Nadine Barte, Leiterin der Live Communication bei der Merck KGaA.
Die Kunden wünschen sich künftig, dass die Agenturen und Dienstleister der LiveCom-Branche als Partner auf Augenhöhe agieren und Stammpersonal für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bereithalten.
Sehr guter Artikel mit hohem Erkenntnisgewinn! Zu den Kundenwünschen sei folgendes angemerkt: Die Kunden, die sich “mutige” Agenturen wünschen, müssen aber auch bereit sein, dafür “mutige” Budgets zu planen. Unsere persönliche Erfahrung aus den vergangenen 20 Monaten ist, dass bei digitalen/hybriden Events die Kunden-Ansprüche und vorhandene Mittel sehr weit auseinander klaffen.
Sehr guter Artikel mit hohem Erkenntnisgewinn! Zu den Kundenwünschen sei folgendes angemerkt: Die Kunden, die sich “mutige” Agenturen wünschen, müssen aber auch bereit sein, dafür “mutige” Budgets zu planen. Unsere persönliche Erfahrung aus den vergangenen 20 Monaten ist, dass bei digitalen/hybriden Events die Kunden-Ansprüche und vorhandene Mittel sehr weit auseinander klaffen.
ein sehr interessanter Bericht und Danke für die Studie