Als Geschäftsführer der Agentur 2bdifferent setzt sich Jürgen May schon seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit in der Eventbranche ein. Das muss unterstützt werden, fand auch unsere Event-Zora und ehrte den Zukunftsmacher und Überzeuger für Nachhaltigkeit mit dem ZORA AWARD 2020. Wir trafen May anlässlich der Preisübergabe in unseren Redaktionsräumen zum Gespräch.
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Warum ist Ihnen das Thema „Nachhaltigkeit“ persönlich so wichtig?
Jürgen May: Bei mir hat sich vor gut 15 Jahren im privaten Bereich etwas geändert, was mich zum Umdenken angeregt hat. Das hat mir im positiven Sinne einen anderen Blick auf die Dinge beschert und meine persönliche Werteskala verändert. Seitdem setze ich mich auch privat damit auseinander, weil es nicht nur ein unternehmerisches Thema ist. So mache ich seit drei Jahren eine Auto-Diät, das heißt, ich vermeide es möglichst, Auto zu fahren. Man kommt zwar bei einigen Events nicht umhin, mit dem Auto zu fahren, weil die Bahnverbindungen das nicht zulassen, aber ich selbst habe seit drei Jahren kein eigenes Auto mehr. Ansonsten achte ich bei alltäglichen Dingen darauf, bei Lebensmitteln oder bei der Mülltrennung beispielsweise. Ich fliege auch generell nicht mehr. Das hat aber alles begonnen, bevor sich die Themen „Event“ und „Nachhaltigkeit“ für mich vereint haben.
Wie kam der Gedanke zustande, Nachhaltigkeit auch beruflich zur Mission zu machen?
May: Das kam zufällig. Ich war Business Developer bei der Agentur ottomisu. Deren Chef Jörn Huber bat mich, nach Trendthemen Ausschau zu halten. Damals gab es vom German Convention Bureau die erste greenmeetings und events Konferenz im Bonner Convention Center. Als ich da reinkam, war ich erst mal schockiert. Irgendwelche handgeschnitzten Holzspielsachen, angeschrumpelte Demeter-Äpfel in der Ecke – das kann kein Business-Modell werden! Dann folgte ein Vortrag der Post über DHL GoGreen, deren klimaneutralen Parcel-Service. Ich hatte das Gefühl, dass dies ein gutes Thema für die Zukunft sei. Im weiteren Verlauf hatten wir mit ottomisu auch die ersten nachhaltigen Projekte, etwa für die Heidelberger Druckmaschinen auf der Drupa 2012. Ich wollte das Thema Nachhaltigkeit aber über die ganze Branche ausbreiten, und nicht auf eine Agentur reduziert. Mitte 2012 habe ich dann den Schritt gewagt, 2bdifferent ins Leben zu rufen.
Wie war es für Sie, all die Jahre auf Ignoranz zu stoßen? Nachhaltigkeit wurde zwar immer wieder gehypt, aber nie richtig verinnerlicht.
May: Die ersten zwei, drei Jahre war es schwierig. Die Honorarrechnungen waren im ersten Halbjahr insgesamt im vierstelligen Bereich, da war nicht viel zu verdienen. Ich habe trotzdem an den Erfolg geglaubt, auch wenn es viele Hürden zu nehmen gab. Anfangs war alles sehr plakativ, sehr aufgesetzt. Dann kamen die ersten Themen wie „Greenmeeting-Pauschalen“ auf: Man zahlte für die Teilnahme am Kongress drei Euro extra, aber am Setup wurde nichts geändert. Und dafür wurden Bäumchen gepflanzt. Das konnte es ja nicht sein! Nach den ersten harten Jahren haben dann aber die ersten auftraggebenden Unternehmen Druck in den Markt gebracht. Mittlerweile sitzen wir auch an beiden Seiten des Tisches: Wir wissen, was die großen Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeit vorhaben, und das wiederum hat Auswirkungen auf die Dienstleister.
„Fridays for Future“ haben aktuell eine richtige Aufbruchstimmung geschaffen und man hat das Gefühl, das Thema Nachhaltigkeit würde jetzt ernsthafter angegangen werden. Glauben Sie, dass sich wirklich etwas ändern wird?
May: Ich denke schon, denn es ist ein fest verankertes, gesellschaftliches Thema geworden. Vor allem die veranstaltenden Unternehmen, die inzwischen alle ihre Agenda 2030, null CO2 und Nachhaltigkeitsthemen auf dem Tableau haben, werden immer stärker versuchen, ihre betriebliche Nachhaltigkeitsperformance auf ihr Veranstaltungsmanagement zu übertragen. Diesbezüglich werden wir immer häufiger von großen Unternehmen hinzugezogen, um ihnen bei der Bieterausschreibung zu helfen. Bei den Projekten und Ausschreibungen fängt es an: Der Bieter muss eine Leistung technisch erbringen können, an zweiter Stelle müssen wir wissen, wie nachhaltig er es leisten kann, und erst dann geht es an den Einkauf. Das hat dann auch Auswirkungen auf die Dienstleister – zwar verzögert, aber es kommt an.
Was war für Sie das positivste Erlebnis in Ihrer 2bdifferent-Laufbahn?
May: Ich denke gerne an den Deutschen Filmpreis zurück. Die Veranstalter kamen 2018 auf uns zu und sagten, dass sie die Lola nachhaltig machen wollen würden. Bei so viel Glitzer, Glamour, Gloria ist das schon ein Problem, die Deutsche Filmakademie war hier jedoch sehr offen. Ich erinnere mich an Claudia Loewe, die Geschäftsführerin der Deutschen Filmakademie Produktion. Ich habe ihr ausgerechnet, was das Buffet vom letzten Jahr an CO2 gekostet hat: 28 Tonnen CO2 für 2.300 Gäste. Aus Spaß habe ich das Ganze dann vegan-vegetarisch gerechnet und kam auf sieben Tonnen CO2. Da hat sie mich zehn Sekunden angesehen und gesagt: „Wir machen das!“ Den Preis gibt es seit 70 Jahren und zum ersten Mal gab es ein vegan-vegetarisches Catering – angefangen vom roten Teppich bis hin zur Aftershow-Party. 70% bis 80% der Anwesenden fanden dies sehr gut.
Im nächsten Schritt kommt im Folgejahr das Thema Mobilität hinzu: Für Stars, Sternchen, Regisseure und Produzenten wurde ein Konzept zu Fahrgemeinschaften, verstärkter Bahnnutzung und eMobilität im Shuttleservice entwickelt, um zum roten Teppich zu kommen. Ebenso wird zum ersten Mal ein nachhaltiges Lieferantenmanagement eingesetetzt, bei dem alle Partner bezüglich Nachhaltigkeit bewertet werden. Nicht alles geht von heute auf morgen, es ist ein Prozess.