Der Asian CUP, die Ermittlung des Asienmeisters im Fußball, setzte in seiner 18. Version – ausgetragen in Doha – Maßstäbe: Die Feier zur Eröffnung des Turniers bot einige völlig neue technische und logistische Ansätze, so thronte eine Center Stage auf dem Anstoßkreis.
Vom 12. Januar bis 10. Februar 2024 wurde in Katar der 18. Asian CUP ausgespielt; ein Fußballturnier, das mit der EURO der UEFA vergleichbar sein dürfte. Die Eröffnungsfeierlichkeit fand im Lusail-Stadion unweit des Stadtzentrums von Doha statt. Schon während der FIFA-Weltmeisterschaft waren dort Spiele ausgetragen worden. Knapp 90.000 Zuschauer:innen – darunter auch ein Teil der Herrscherfamilie – verfolgten die Zeremonie im Stadion. Vor den TV-Bildschirmen dürften es hingegen sicherlich viele Millionen, wenn nicht gar eine Milliarde Zuschauer:innen gewesen sein.
Mit einer Center Stage auf dem Anstoßkreis, dem heiligen Rasen, setzte sich die Eröffnungszeremonie des Turniers von sonst üblichen Events ab. Für den ausführenden Produzenten, die Katara Studios, war diese Dimension Neuland. Federführend für das Stage Design sowie den visuellen Content konnte die Agentur Sila Sveta (New York) gewonnen werden. Bewährte Spezialist:innen sowie komplette Crews aus der ganzen Welt wurden ausgewählt, um den hohen Ansprüchen, die mit diesem Event verbunden waren, gerecht zu werden. Neben italienischen (Audio) und englischen Gewerken (u.a. Licht/Rigging) arbeitete ein deutsches Team unter der Leitung des Münchner Lichtdesigners Roland Greil an der Planung und Ausführung des Lichtdesigns. Hunderte asiatische und afrikanische Kräfte wurden eingesetzt, um die Auf- und Abbauarbeiten durchzuführen. Die Technische Produktionsleitung oblag Shannon Gobell, einem erfahrenen, in Dubai lebenden Australier (mehr zu Crew und Gewerken hier).
Das bei derartigen Zeremonien vor dem Spiel nahezu „unantastbare Spielfeld“ erhielt eine temporäre Center Stage, auf der es eine aufwendige Theaterdarbietung mit mehreren Dutzend Protagonist:innen zu inszenieren galt. Die Figuren sowie die Dramaturgie der Aufführung waren an eine sehr alte, traditionelle, im asiatischen Raum populäre Dichtung angelehnt, deren Kern über die Jahrhunderte sogar den Weg in europäische Adelshäuser gefunden hat. Über rund zwanzig Minuten erstreckte sich die Storyline, daran anschließend folgten eine feierliche Wimpelübergabe, eine offizielle Ansprache sowie eine musikalische Darbietung. Insgesamt waren für die Eröffnungsfeier rund dreißig Minuten angesetzt. Anschließend galt es, König Fußball ein makelloses Spielfeld zu bieten, und zwar in aller gebotenen Eile.
Die Realisation einer derartigen Center Stage ging mit erheblichem Aufwand einher, denn die Konzeption verlangte nicht nur den unmittelbaren und reibungslosen Auf- und Abbau nach der Eröffnungszeremonie, sondern auch jeweils unmittelbar vor und nach den Proben im Stadion. Da das oberste Gebot lautete, den Rasen nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, war neben dem Stadion eigens ein gigantisches Probenzelt errichtet worden, in dem das Set 1:1 aufgebaut worden war. Dort konnte das Ensemble „trocken“ proben, um dann nur für entsprechende kurze Zeitfenster zusammen mit der Technik auf dem Spielfeld zu arbeiten. Bei der ersten Probe etwa durfte die Bühne nur für eine Stunde, bei der zweiten Probe für zwei Stunden auf dem Rasen stehen. Dies bedeutete aber, dass alle technischen Anpassungen nur während dieser Durchlaufproben erfolgen konnten. Automationen sowie gezielte Zusammenführungen der Bedingungen unter allen Gewerken wurden somit zu einer wahrhaftigen Herausforderung.
Akribisches Pre-Programming, das üblicherweise als Vorstufe zur Anpassung an die realen Bedingungen dient ist, verdiente in diesem Fall die Bezeichnung nur bedingt, denn vielmehr galt es nach den Proben jeweils den Schritt zurück zum Pre-Programming zu gehen, um dann bei der jeweils nächsten Durchlaufprobe weitere Anpassungen auf die realen Bedingungen durchzuführen; und so weiter. Fokus-Sessions, bei denen sonst jede Szene schrittweise durchgestellt wird, gab es nicht. Sämtliche in der Probenrealität erfassten Parameter mussten zurück in die Pre-Programming-Software übertragen und bis zur nächsten Probe unter realen Bedingungen eingepflegt werden.
Die Arbeitsabläufe aller technischen und künstlerischen Gewerke mussten sich – salopp formuliert – den Anweisungen des Green Keepers unterwerfen, denn die Zeiträume, in denen das Rasensolarium für das Spielfeld vorgesehen war, galten als unantastbare Größen. Kompliziert genug, dass die zeitlichen Faktoren für ungewohnte Arbeitsweisen sorgten, auch räumliche Verhältnisse führten zu kreativen Lösungen. Für alle beteiligten Gewerke war dies eine aufwendige und ungewohnte Arbeitsweise.
Zentrales namensgebenden Element der Aufführung waren fünf etwa elf Meter hohe Spiegel, die sich wie eine Art Blütenkelch nach dem ersten Drittel der Show aus der Kulisse erhoben. Als „Spiegel“ fungierten hochauflösende LED-Einheiten, die formschön vollendet in einer organischen Form eingefasst waren. Im Blütenkelch waren zudem zahlreiche Moving Lights platziert. Um jedoch das Gewicht auf dem Rasen so gering wie möglich zu halten, wurden die fünf beweglichen Sonderbauten über automatisierte Seilzüge gesteuert. Diese Lösung bot nicht nur den Vorteil, dass mehrere Tonnen Gewicht, die sonst auf den Untergrund gewirkt hätten, eingespart wurden, sondern sie bot überdies die Möglichkeit, die großen Bauteile beim Abbau nach oben „wegfliegen“ zu lassen. Die Spiegel hingen während des anschließenden Fußballspiels hoch über dem Spielfeld. Die Sichtachsen der Zuschauer:innen und vor allen auch die sämtlicher Broadcast-Kameras wurden dadurch nicht behindert. Kleine Randnotiz: Rund 100 Tonnen Material waren insgesamt bei dieser Produktion im Stadion aufgehängt worden.
Die stilsicher inszenierte Feier kam erstaunlicherweise mit wenig Licht-Equipment aus. Während anderen Orts bei vergleichbaren Veranstaltungen meist mehrere tausend Einheiten zum Einsatz kommen, brauchte Lichtdesigner Roland Greil einen Bruchteil. Die Anzahl der im Stadion eingesetzten Moving Lights war beispielsweise nicht wesentlich höher als die durchschnittlich eingesetzte Anzahl bei einer nachmittäglichen deutschen Studioshow. Licht aus sechs Ebenen, vom weiten Stadiondach bis hin zu der Kreis-Traverse über der Center Stage angeordnet, bot abwechslungsreiche und stilsichere Bilder über die gesamte Spanne der Inszenierung. Sowohl die Zuschauer:innen im Stadion als auch diejenigen vor dem TV erlebten eine lebendige und perfekte Show.
Das Team um Roland Greil bereitete das Set bereits vor Weihnachten vor und schloss die Arbeiten im neuen Jahr vor Ort ab. Rücksichtnahme und Verständnis für religiöse und kulturelle Befindlichkeiten und Bedürfnisse (wie etwa die Heimkehr zu den Familien über die Weihnachtstage und Neujahr) beruhte – wie bei allen hochkarätigen internationalen Großveranstaltungen üblich – auf Gegenseitigkeit. Entsprechende Zeitfenster waren daher bereits in der Planungsphase berücksichtigt worden. Das Erreichen professioneller Ziele stand über den kulturellen Befindlichkeiten. Von den Einwohner:innen des Landes werden Ausländer:innen in der Regel – egal ob in leitender oder ausführender Position, egal welcher Hautfarbe oder welcher Religion – als Menschen angesehen, die in ihrem Land gutes Geld verdienen wollen und sollen.
Für enorme Arbeitserleichterung sowie auch für große kreative Freiheit sorgte die Einbindung von vierhundert Lampen in ein Follow-Me-System. Von acht Basisstationen mit jeweils einem Operator konnten diese Lampen für ganze Gruppen oder nur einen Darsteller/eine Darstellerin angesteuert werden. Dabei konnte das System sowohl für das Key Lighting des Broadcasters als auch für die künstlerische Gestaltung der Show eingesetzt werden. Unabdingbar für den reibungslosen und effektiven Einsatz des Systems war die umfangreiche Erfassung aller Positionsdaten. Herkömmliche Arbeitsweisen mit Verfolgern hätte nicht nur das Personal für diesen Aufgabenbereich verdreifacht, sondern auch die kreativen Möglichkeiten verringert. Selbstverständlich waren alle im Follow-Me-System eingebundenen Lampen niemals gleichzeitig im Einsatz.
Der Abbau unter dem gebotenen Zeitdruck war ein regelrechtes Meisterwerk der Logistik. Sämtliches Equipment konnte über vier Zugänge zum Innenraum abtransportiert werden. Die gigantische einteilige Schutzabdeckung des Spielfelds wurde mit schnellen präzisen Handgriffen gefaltet und am Stück abtransportiert. Zwei riesige Inflatables, die zum Höhepunkt der Show die Szene betreten hatten, wurden an der Seitenlinie punktgenau zurückgebaut. Die Sonderbauten wurden, wie bereits erwähnt, nach oben geflogen. Insgesamt rund siebenhundert Kräfte hatten unter Leitung englischer Stage Manager sämtliche Handgriffe detailliert geprobt, um am Tag der Eröffnung in genau zwanzig Minuten und zehn Sekunden den Rasen den Spielern zu überlassen.
Wie zu erfahren war, sei die Zusammenarbeit unter sämtlichen Gewerken im kompletten Produktionsrahmen hochprofessionell, stets uneitel und lösungsorientiert verlaufen.