Lightshow mit Klangerlebnis: silentMOD im Kölner Dom
von Richard Meusers,
Gamer und die katholische Kirche, das passt nicht zusammen. Aus diesem Gegensatz formten Theologen und DJs das Konzept für eine faszinierende Lightshow mit fesselnden Klangerlebnissen. Trotz des Erfolges der Veranstaltung, die „magnetisieren, nicht missionieren“ wollte, wird es wohl keine Wiederholung geben.
Die Lichtinstallation wollten 50.000 Menschen sehen. Und es war nicht gerade ein kirchennahes Publikum, das während der Computerspielemesse Gamescom im August 2016 zu mitternächtlicher Stunde in das gotische Gotteshaus zog. Statt Orgelbraus und Weihrauchwolken bekamen die Besucher Licht- und Klanginstallation und modernste Digitaltechnik geboten. Schon damit war klar, dass die Adressaten nicht in erster Linie fromme Kirchgänger waren, sondern die 400.000 Gamescom-Gäste, von denen die meisten digitalaffine Gamer bis 25 waren. „Junge Leute sind immer ein guter Grund, sich als guter Gastgeber zu präsentieren“, so Dompropst Gerd Bachner. Das gelte für die Stadt genauso wie den Kölner Dom.
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Also holten sich die Verantwortlichen der Kathedrale kompetente Partner mit ins Boot. Das Konzept wurde seit 2014 zusammen mit dem Bochumer Zentrum für Angewandte Pastoralforschung (ZAP) sowie Marius Stelzer und Rupert König, zwei Theologen aus Münster, entwickelt. Für die klangliche Ausgestaltung wurde das Techno-Duo Blank & Jones gewonnen. Das führte im Vorfeld zu einigen Spekulationen, im ehrwürdigen Dom solle eine Techno-Party gefeiert werden, sogar vom „Ausverkauf“ von Glaubensinhalten war mancherorts die Rede.
Keine Techno-Party
Vorwürfe, die für Domdechant Robert Kleine ins Leere gehen. Ein Konzert oder eine Party zum Mittanzen sei nie geplant gewesen. „Sonst hätte das Domkapitel das auch nicht genehmigt“, so Kleine. Tatsächlich sei es darum gegangen, den Dom für Menschen zu öffnen, die sonst kein Interesse an kirchlichen Themen haben und mit Hilfe sinnlicher Elemente aus ihrem Alltag zu vermitteln, dass Glaubensinhalte mit ihrem Leben etwas zu tun haben könnten. Das Konzept habe „magnetisieren, nicht missionieren“ gelautet.
Dafür wurden dann alle multimedialen Register gezogen. Geschickt installierte Projektoren im hohen Mittelschiff und in den innenliegenden Seitenschiffen des Doms schufen vom Trifolium aus drei Lichttunnel, mit denen die Besucher durch die gesamte Länge des Innenraums bis zum Altarraum gezogen wurden. Gezielt gesetzte Lasereffekte, Nebel in den Seitenschiffen und Duftelemente verstärkten die sinnliche Wirkung. Drei Roboterarme sollten mit grünen, durch den Innenraum zuckenden Laserstrahlen die Suche nach Gott symbolisieren, ähnlich der der heiligen drei Könige vor 2.000 Jahren, deren sterbliche Überreste (angeblich) im Kölner Dom ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Die gezielte Benebelung des Raumes ließ das Laserlicht sichtbar und plastisch werden. Die elektronischen Klänge waren von Piet Blank und Jaspa Jones alias Blank & Jones, die selbst gerne Videogames spielen, komponiert und zusammengestellt worden. Unter dem Titel „DOM“ hatte das Duo eine „klassisch-moderne“ CD produziert, die erstmalig zur Gamescom zu hören war. Die eher ruhigen Klänge setzen die Reihe ihrer „Chilltronica“-Arrangements fort. Im eigens komponierten Soundtrack nahmen sie Bezug zu modernen kirchlichen Komponisten wie Arvo Pärt und Philipp Glass. Gleichzeitig reihten sie sich bewusst in die Tradition elektronischer Musik ein, wie sie Karlheinz Stockhausen komponiert hatte. Aber auch für Computerspiele komponierte Soundtracks dienten als Inspirationsquelle. So erfuhr der Kölner Dom eine Vertonung, die in diesen Nächten zum einen der Besonderheit des sakralen Raums gerecht werden, andererseits die Zielgruppe jugendlicher Gamer nicht aus dem Blick verlieren sollte.
Klang-, Duft- und Lichtästhetik
Im Verlauf von drei Nächten, immer von 22 Uhr abends bis zwei Uhr morgens, war die LichtKlang-Duft-Installation im Kölner Dom zu sehen. In den Augen der Konzeptentwickler ging es dabei gar nicht in erster Linie darum, Brüche oder Antithesen zur überkommenen Weise zu setzen, in der Menschen den Dom wahrnehmen und in der die gotische lichtdurchbrochene Architektur auf sie wirkt. Für Marius Stelzer steht silentMOD vielmehr in der Kontinuität einer langen Tradition: „Der Dom spielt von jeher mit dem Erleben von Licht, Klang und Raum. Indem wir technisch verstärken, was ohnehin vorhanden ist, schaffen wir zusätzliche emotionale Zugänge für die technik-affine, mit Scifi-Ästhetik vertraute Zielgruppe.“
Im Mittelpunkt der künstlerischen Erschlie- ßung von silentMOD stand die Idee, dem Dom nicht etwas Neues hinzuzufügen, sondern das hervorzuheben, was der Dom ohnehin darbietet: die lichte Höhe des Gewölbes, die beeindruckende Länge des Langhauses, die Weite des Raumes. Natürlich habe niemand zahllose Bekehrungserlebnisse erwartet oder dass die Installation alle Besucher zu Glaubenden machen würde. Das Ziel habe vielmehr darin bestanden, Menschen eine sympathische Berührung mit Religion und Kirche zu ermöglichen, sie sozusagen emotional anzutriggern.
Der Dom als Server
Die silentMOD-Installation beschränkte sich dabei nicht auf den Innenraum des Doms. Die beiden über 150 Meter hohen Domtürme waren während der nächtlichen Dunkelheit von innen mit einem langsam pulsierenden, blauen Licht ausgeleuchtet. In 90-Sekunden-Zyklen wurde das Licht allmählich immer heller, um dann langsam wieder abgedimmt zu werden. Diese diskrete Illumination sollte das Stand-by-Licht eines Rechners simulieren: Weithin sichtbar strahlte der Dom seine ruhende Kraft aus – wie in einer Art „Ruhe – modus“ der Stadt. „In die Bildwelt der Computer-Generation übersetzt, erschien der Dom als Server, als Container für die christliche Botschaft“, so Stelzer.
Trotz des Erfolgs wird es 2017 keine Neuauflage geben. „Ein Projekt dieser Größe ist nicht jedes Jahr zu stemmen“, sagt Dompropst Bachner. Dafür sei die Vorlaufzeit zu groß. Trotzdem müsse die Kirche auch künftig neue Wege gehen. Insofern sei silentMOD nicht nur für die nächtlichen Besucher des Doms eine Neuheit, sondern auch für die kirchlichen Verantwortlichen ein Schlüsselerlebnis gewesen. Nicht zuletzt sei von der Aktion auch ein positiver Werbeeffekt für die Stadt Köln ausgegangen, die nach der Silvesternacht einen heftigen Imageschaden erlitten hatte