Panoramaprojektion: Einzigartige Medienwand von Ambion
von Jörg Küster ,
Das ARD-Studio ist mit einer XXL-Medienwand ausgestattet, an deren Gestaltung Veranstaltungstechnikspezialisten von Ambion maßgeblich Anteil hatten.
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Ein technischer Event-Trend der letzten Jahre ist die Bespielung ausgedehnter Flächen mit mehreren Projektoren. Während die nahtlose Kombination von zwei bis drei projizierten Bildern inzwischen gang und gäbe ist, werfen größere Anordnungen Probleme eigener Art auf. Besonders komplex gestaltet sich die Einrichtung, wenn jenseits von Softedge-Blending sowie Helligkeits- und Farbanpassungen ein exaktes Mapping – also die Projektion auf dreidimensionale Oberflächen – gefordert ist. Trotz gestiegener Herausforderungen steht Eventtechnikern bei der Vorbereitung von Veranstaltungen in aller Regel nicht mehr Zeit als früher zur Verfügung. Optimierte Abläufe sind somit gefragt. Die Ambion GmbH möchte Lösungswege aufzeigen.
Echtbild mit Premiumqualität
In Zusammenarbeit mit der Lang AG stattete Ambion das neue ARD-Studio mit einer Medienwand aus. Im Studio werden seit dem 19. April 2014 nicht nur das ARD-Flaggschiff Tagesschau, sondern auch alle anderen Formate von ARD-aktuell produziert. Das Studio befindet sich auf dem NDR-Gelände in Hamburg und wurde vom NDR projektiert und gebaut. „Bereits 2010 und somit vier Jahre vor Sendebeginn waren wir beratend in das Projekt involviert“, berichtet Christian Sommer, Geschäftsführer von Ambion. „Von Anfang an war klar, dass man bei ARD-aktuell nicht in einem der gängigen virtuellen Studios mit Blue- oder Greenscreen-Technologie arbeiten wollte – vielmehr war Echtbild mit Premiumqualität gefragt.“ Testaufbauten der Medienwand wurden unter realistischen Bedingungen eingerichtet. Durch Mitarbeiter der ARD erfolgte nicht nur eine umfangreiche Dokumentation, sondern sämtliche Versuche wurden auch messtechnisch kompetent begleitet. „Es gibt diverse Aspekte, die sich bei einem solchen Projekt im Vorfeld berechnen lassen. Aber eben auch Punkte, die nur durch praktisches Ausprobieren geklärt werden können“, so Frédéric „Fred“ Bommart, der als fernseherfahrener Projektleiter im Auftrag von Ambion tätig war.
Sieben auf einen Streich
Auffälligstes Gestaltungsmerkmal im 320 m² großen und mit neuester Kamera- und Lichttechnik ausgestatteten ARD TV-Studio ist eine halbrunde Medienwand von knapp 18 Metern Länge. Die Anzeigefläche weist eine Größe von rund 40 m² auf und wird als Rückprojektion durch sieben Panasonic-Beamer mit einer Gesamtauflösung von 8.260 × 1.050 Bildpunkten bespielt. Ein Teil der Medienwand lässt sich auf Wunsch dank primeTOUCH-Technologie interaktiv nutzen. Eine besondere Anforderung ist der Dauerbetrieb: Das ARD-Studio soll prinzipiell durchgängig an jedem Tag der Woche nutzbar sein, was notwendige Servicearbeiten auf kurze Intermezzi zwischen den Sendungen beschränkt.
Anfängliche Experimente mit LED-Technik und steglosen Displays führten nicht zu den gewünschten Ergebnissen: LED-Anzeigen waren seinerzeit für anspruchsvolle Aufgaben noch zu grob gerastert, und plane Displays sind aus offensichtlichen Gründen nur schlecht in eine Rundung integrierbar. Sommers Vorschlag, „doch einmal in Richtung Projektion zu denken“, stieß zunächst auf Befremden, da konventionelle Projektionsleinwände in der gewünschten Größe und Form unlösbare Probleme aufwerfen würden. Aus der Veranstaltungstechnik verfügt Christian Sommer über Erfahrungen mit dem Einsatz von Projektionsscheiben und brachte einen entsprechenden Vorschlag ein. Als Problem stellte sich rasch heraus, dass Scheiben in der gewünschten Größe nirgendwo verfügbar waren. Abhilfe schaffte ein chinesischer Hersteller, der das gewünschte XXL-Format fertigen und liefern konnte – ohne Bauchbildung, ohne sichtbare Nähte und ohne auftretende Moiré-Effekte.
Testphase
Vorangegangen waren aufwändige Tests, die in den Räumen von Ambion in Kassel anberaumt wurden. Auch im für den Umbau bereits freigeräumten Hamburger ARD-Studio wurde ein Testaufbau realisiert, bei dem eine Projektionsscheibe zwischen Traversen eingespannt wurde – selbstverständlich in einem kleineren Format und mit nur zwei statt der heute sieben im Studio zum Einsatz kommenden Projektoren. Ermittelt wurden sinnvolle Rahmenparameter wie Projektionstechnologie, Helligkeit, Seitenverhältnis, Softedge-Eindruck und die Qualität der Darstellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
„In diesem Kontext konnten wir Erfahrungen einbringen, die wir im Bereich Event gesammelt hatten“, berichtet Frédéric Bommart. „Wir verstehen uns als Fachleute für Projektion im Eventkontext, und für uns war es sehr interessant, wie sich unser Know-how in einer Premiumumgebung wie einem Fernsehstudio im 24/7-Dauerbetrieb umsetzen und optimieren lässt.“
Im Rahmen der festinstallierten Medienwand konnten Einstell-, Justage- und Wartungsprozesse messtechisch begleitet und hinsichtlich der erforderlichen Zeit optimiert werden. Vergleichbare „Laborbedingungen“ wie bei einer Festinstallation sind auf einem Event nicht anzutreffen, da die technische Anlage nach der Nutzung sofort wieder abgebaut wird. „Um ein derart komplexes System überhaupt denken und dann auch noch einrichten zu können, ist es hilfreich, mit Fachleuten zusammenzuarbeiten, die im Eventkontext regelmäßig unter herausfordernden Bedingungen mit komplexesten Multiprojektionsanordnungen konfrontiert werden“, so Bommart. „Wichtig zu erwähnen ist, dass die ursprüngliche Idee zur Medienwand während der Planungsphase kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe von TV- und Eventtechnikern sowie Systemintegratoren haben sich sehr gut ergänzt.“
Schneller zum Ergebnis
Erwartungsgemäß mussten zahlreiche Interessen berücksichtigt werden, was nicht nur externe Dienstleister, sondern auch NDR-interne Abteilungen betraf. Selbstverständlich stand das zu erzielende Ergebnis stets zentral im Fokus, aber äußerst wichtige Aspekte waren auch die Handhabung im täglichen Betrieb sowie die erforderlichen Wartungsarbeiten. Regelmäßige Servicearbeiten sind erforderlich, da Projektoren im laufenden Betrieb altern – bei Mehrfachanordnungen geschieht dies zum Leidwesen der Techniker nicht einheitlich, und neben der Helligkeit ist auch die Farbwiedergabe betroffen. Für die erforderliche Justierung stehen im neuen ARD-Studio aufgrund des eng getakteten Sendeschemas der Tagesschau lediglich sehr kurze Zeitfenster zur Verfügung. „Für uns als Eventdienstleister war eines der Learnings aus dem Projekt, dass man eine umfangreiche Multiprojektorenanordnung, wie sie im Tagesschau-Studio zum Einsatz kommt, in einem überschaubaren Zeitraum perfekt einstellen kann“, sagt Christian Sommer. „Im Eventbereich würde man bei gehobenen Qualitätsansprüchen für eine ähnliche Aufgabenstellung mit sieben oder mehr Projektoren durchschnittlich ein bis zwei Nächte ansetzen – im Tagesschau-Studio ist der Zeitbedarf um ein Vielfaches geringer.“ Ambion hat exakt definierte Prozeduren für Messvorgänge entwickelt und setzt teure Spezialgeräte ein. „Die Verfahren haben wir inzwischen auch erfolgreich bei mehreren Events verwendet, um schneller und mit noch genaueren Ergebnissen zum Ziel zu gelangen“, berichtet Christian Sommer nicht ohne Stolz.
Geld sparen
Sämtliche Projektoren im neuen ARD-Studio sind derart eingestellt, dass sie nahtlos (und schnell!) durch frisch aus der Wartung kommende Geräte oder sogar durch fabrikneue Beamer ersetzt werden können. Eine Farbangleichung sowie weitere Feineinstellungen sind nach einem Austausch erforderlich, lassen sich aber vergleichsweise einfach und bei Bedarf sogar aus der Ferne per Remote-Zugriff erledigen. „Durch die optimierten Prozesse können wir in einem deutlich kürzeren Zeitraum als zuvor perfekte Resultate erreichen“, stellt Frédéric Bommart zufrieden fest.
Konkret befragt, wie sich die Vorteile des Verfahrens im Eventzusammenhang bemerkbar machen, äußert sich Christian Sommer: „Es ist auf diese Weise möglich, mit nur der Hälfte der sonst üblichen Zeit auszukommen. Für Kunden wird unser zusätzlich erworbenes Know-how dabei nicht teurer, sondern vielmehr spart es Geld, weil wir schneller fertig werden und somit mehr Zeit für spontane Änderungswünsche oder möglicherweise auftretende Probleme haben.“
Synergieeffekte
Die Projektion, die heute täglich in der Tagesschau und weiteren Sendungen von ARD-aktuell zu erleben ist, dürfte in ihrer Komplexität einzigartig sein, und es ist nicht bekannt, dass irgendwo auf dem Globus ein vergleichbarer Fernsehstudiohintergrund zum Einsatz kommt. Auf die gelungene technische Weltpremiere dürfen allen Beteiligten mit Fug und Recht stolz sein! Den ohnehin umfangreichen Referenzen von Ambion fügt die Ausstattung des neuen ARD-Studios mit der Medienwand ein weiteres Highlight hinzu. Dass das bei dem ambitionierten Projekt gesammelte Know-how künftig in anspruchsvolle Eventvorhaben einfließen wird, liegt auf der Hand. „Nach den Erfahrungen mit der Tagesschau fühlen wir uns sehr sicher, und unsere Fachkräfte sind auf alle Herausforderungen mit oder ohne TV-Einbindung vorbereitet“, sagt Christian Sommer und weist in einem Nebensatz darauf hin, dass Ambion gerade eine Videoregieausstattung in Broadcast-Technik erworben hat.