N&M XR-Studio mobil und festinstalliert im Einsatz
XR-Studio – für wen ist es sinnvoll?
von Martina Courth, Artikel aus dem Archiv vom
Der Einsatz von Extended Reality – kurz: XR – bei digitalen (Live-)Events ist quasi der letzte Schrei. Wir klären was XR leisten kann und für welche Ansprüche die Nutzung eines XR-Studios Sinn macht.
(Bild: N&M)
XR wird als das Next Level der Content-Creation bzw. Präsentationsmöglichkeiten gehypet. Die 3D-Echtzeit-Technologie lässt physische und virtuelle Welten miteinander verschmelzen und verspricht Inhalte, die bei den Zuschauer:innen nachhaltig hängen bleiben. Während AR-Produktionen (AR = Augmented Reality) ein reales Set abfilmen und durch digitale Assets erweitern und man sich bei VR (VR = Virtual Reality) in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven, virtuellen Umgebung bewegt, kombiniert XR die Mehrwerte einer realen Szenerie mit AR-Elementen, wobei die auf der Bühne agierenden Personen sich aus Zuschauersicht in einem virtuellen Studio bewegen.
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Ein XR-Studio ist ein reales Set aus LED-Wänden, evtl. auch LED-Boden und/oder -Decke, das abgefilmt wird. Der Content auf den LED-Wänden wird für die Zuschauer:innen an den Bildschirmen durch Stage Extensions ergänzt; das heißt, perspektivisch korrekt hochgerechnet und die erweiterte Umgebung per Mapping hinzuaddiert. Der Aufwand für Post Production ist gering, dafür muss mehr Arbeit in die Pre Production gesteckt werden.
Ein großer Unterschied zu einem Green-Screen-Studio sind die gegebenen Interaktionsmöglichkeiten: Ungeübte Speaker tun sich schwer, vor einem Green Screen zu agieren, da man als Darsteller:in nicht direkt sieht, was auf den Screens passiert. In einem XR-Set merkt der Speaker, wenn er oder sie nicht mehr im Bild steht, kann z.B. mit Grafiken interagieren, sieht darüber hinaus auf den Vorschaumonitoren, wie seine Interaktion mit den virtuellen Inhalten für das Publikum wirkt. Auch Speaker-Wechsel sind einfacher durchführbar. Kombiniert mit einem Personen-Tracking-System, kann die bzw. der Präsentierende etwa „hinter und vor Diagramme oder andere Objekte laufen“. Aber auch schon das systembedingt zum Einsatz kommende Kamera-Tracking ermöglicht dynamische Kamerafahrten und spannende Blickwinkel innerhalb des virtuellen Studios. Will man kurzzeitig das Set-Bild „einfacher“ halten und nur klassische AR nutzen, können die Stage Extensions auch ausgeschaltet werden.
Vorteile der XR-Technologie
Ein großer Vorteil der XR-Technologie liegt in der Continuity: Das heißt, man kann immer wieder die gleichen Szenen herstellen; ein Faktor, der insbesondere bei Serien oder Nachdrehs im Film gern genutzt wird, aber auch bei einer fortlaufenden Corporate-Event-Reihe dienlich ist. Als Kunde hat man daneben die Möglichkeit, sich eine komplette Brand World (dauerhaft) aufzubauen, und das zudem nachhaltig, da kein Setbau erfolgen muss. Weiterer Benefit: Im Set müssen keine physikalischen Grenzen beachtet werden, da die Virtualität nahezu alles möglich macht – zum Beispiel die Integration von AR-Elementen in das bestehende Setup. Der Fokus der Zuschauer:innen bleibt dabei beim Referenten bzw. der Referentin und innerhalb der Szene. Inhalte werden nicht mehr in einer Art Split-Screen präsentiert, sondern werden Teil der virtuellen Welt und in Echtzeit im virtuellen Studio abgebildet.
Ein XR-Studio eignet sich genauso gut für eine Bilanzpressekonferenz wie eine Produktpräsentation oder ein Interview. Wie bei allen Events sollten vorab die Art der Veranstaltung und die Zielgruppe definiert werden, um im zweiten Schritt Content-seitig zu überlegen, wie die Veranstaltung erfolgreich umgesetzt werden kann. „Bevor man XR denkt, muss man einmal in einem Set dringestanden haben“, ist denn auch die Meinung von Leonhard Roth, Projektleiter bei Neumann&Müller Veranstaltungstechnik und Ansprechpartner für deren XR-Stage in den Bavaria Studios, München. Besagtes Studio ist auch schnell und unkompliziert beim Kunden vor Ort aufbau- und nutzbar – und damit das aktuell einzige „mobile“ XR-Studio in dieser Größenordnung. „Falls die Anforderungen des Eventkonzeptes einen mobilen Einsatz nicht zwingend erforderlich machen, empfehlen wir grundsätzlich die Nutzung der Installation in den Bavaria Studios: Kunden können so vor Ort von der produktionserprobten Infrastruktur auf dem Gelände profitieren, was einen ganz eigenen Charme hat“, erklärt Leonhard Roth.
Eine Single Show benötigt für den ersten Aufschlag ca. acht Wochen, sofern ein erstes Eventkonzept vorhanden ist. Wiederkehrende Shows mit nur noch minimalen Änderungen könnten sehr schnell umgesetzt werden, so Roth. In solchen Fällen sei die Nutzung eines festinstallierten Studios jedoch sinnvoll: „Für eine erste kurzfristige Präsentation ist XR das Falsche, außer die initialen Bedingungen wie Look & Feel des Studios sowie die Art und Form der virtuellen Präsentationsflächen und Assets sind bereits geschaffen, dann laden wir das bestehende Set-up und legen los “, erläutert der N&M-Projektleiter. Die Initialkosten inklusive einer ersten Veranstaltung betragen im Durchschnitt 125.000 bis 150.000 Euro für eine Produktion, wobei eine Aufzeichnung erschwinglicher ist als ein digitales Live-Format, da die Videoregie nicht redundant betrieben werden muss. „Ein XR-Studio ist nicht günstig“, bestätigt Roth denn auch, „der Mehrwert muss individuell abgeklärt werden. Ein mobiler Einsatz lohnt sich ab vier Produktionstagen und wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis – wie viele Speaker treten auf und woher kommen diese? etc. – gegeben ist.“
Für den mobilen Einsatz benötigt werden ein Raum, der komplett abgedunkelt werden kann, sowie eine Woche reine Installation zur Justierung der Zoom-Stufen, des Kamera-Trackings, Kalibrierung der LED-Wände, Einmessung etc. Das Set selbst ist in der Größe variabel, bei einer Minimalgrundfläche von 4 x 4 Metern. „Eine kleinere Grundfläche ist nicht sinnvoll, dann sollte man lieber darüber nachdenken, das Setup generell anzupassen. Dafür sollte aber im Vorhinein geklärt sein, welche Kameraperspektiven schlussendlich genutzt werden wollen“, erklärt der XR-Fachmann. „Ebenso ist es denkbar, den LED-Boden wegzulassen, etwa zugunsten einer LED-Decke. Dies wird häufig für Autopräsentationen genutzt, um eine Fahrbewegung zu simulieren.“ Wer vom LED-Boden Gebrauch machen will: Dieser ist mit zwei Tonnen pro m2 belastbar. Zuletzt bedarf es einer Raumhöhe von mindestens sechs Metern aufgrund der Höhe der LED-Wände, der Beleuchtung und des Krans.
„Eine XR-Stage entfaltet nur mit bewegten Kamerafahrten ihre Wirkung, statische Bilder sind hingegen unattraktiver für den Zuschauer“, führt Leonhard Roth die Anforderungen an den Content aus. „Je detailgetreuer die (CAD-)Daten, z.B. eines Produktes, sind, desto realistischer ist dieses im Bühnengeschehen abbildbar.“ N&M arbeitet mit einer für Live-Events modifizierten und optimierten Unreal Engine, einem Echtzeit-3D-Creation-Tool aus der Computerspiele-Industrie. „Anhand von Libraries kann man sich hier relativ schnell eigene Welten zusammenbauen. Das ist nichts Neues, nur der stabile (mobile) Einsatz und die Art der Anwendung sind besonders“, so Roth.
XR nur für digitale (Live-)Events sinnvoll
Fest steht: In ein XR-Studio zu gehen, macht nur bei einem reinen Digital-Event Sinn. Dieses kann entweder vorab aufgezeichnet oder als digitales Live-Event gefahren werden, bei dem der Input des Publikums vor den Endgeräten live mit eingebunden wird, indem z.B. Umfrage-Ergebnisse live als Tortendiagramme ins virtuelle Set mit eingearbeitet werden. Für Präsenzveranstaltungen bringt eine XR-Stage keinen direkten Mehrwert, da die virtuelle Welt erst am Bildschirm ihre Wirkung entfaltet. Daher ist der Einsatz der XR-Technologie ebenso für Hybrid-Events schwierig, wenn die Präsenzveranstaltung der Hauptort des Geschehens ist. „XR ist ein großartiges Mittel, um die Online-Community mit hochwertigem Content zu entertainen und ihr ein digitales Erlebnis zu bieten, wenn man moderne Kommunikation auf eine gänzlich andere Art und Weise anstreben möchte“, begeistert sich Leonhard Roth für die Technologie.