Knackpunkt Bodenbeschaffenheit: Eventbauten am Limit
von Ebi Kothe, Artikel aus dem Archiv vom
Nein, hier geht es nicht um politische Verschwörungen, sondern um die Betrachtung von Bodenbeschaffenheiten an möglichen Standorten von temporären Bauten. Auf der Suche nach spektakulären Veranstaltungsorten geraten Eventplaner:innen möglicherweise an Grenzen, wenn die Gäste bereits alle in Frage kommenden Locations kennen oder am vorgesehenen Ort kein passendes Angebot verfügbar ist. Warum nicht einfach ein Konstrukt nur für die Veranstaltungsdauer an einem ungewöhnlichen Ort bauen lassen? EVENT PARTNER sprach mit Fachleuten über dieses Thema.
Eine solche Konstruktion nennt sich im Verwaltungsdeutsch „fliegender Bau“ und unterliegt dem Baurecht, welches in Deutschland den jeweiligen Bundesländern obliegt. Auf der Homepage der Bauministerkonferenz erfährt man dazu: „Die Regelungen der Länder beruhen auf der Muster-Bauordnung und den Muster-Vorschriften, insbesondere der Muster-Richtlinie über den Bau und Betrieb Fliegender Bauten und der Muster-Verwaltungsvorschrift über Ausführungsgenehmigungen für Fliegende Bauten und deren Gebrauchsabnahmen. Die Regelungen der Länder sind im Wesentlichen gleich. Unterschiede können sich jedoch einerseits aus der länderspezifischen Umsetzung der Musterbauordnung und der jeweiligen Systematik der Vorschriften der Länder ergeben – also daraus, in welchen Vorschriften Regelungen zu Fliegenden Bauten enthalten sind und welchen Rechtscharakter diese Vorschriften damit haben. Andererseits können Abweichungen aus dem unterschiedlichen Stand der Umsetzung der Muster-Vorschriften resultieren.“
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Neben Zelten, Bühnen und Tribünen zählen auch Belustigungs- und Fahrgeschäfte wie Achterbahnen und Karussells auf Volksfesten zu den Fliegenden Bauten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie geeignet und bestimmt sind, an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden. Bei einer Standzeit von mehr als drei Monaten ist zu prüfen, ob es sich nicht um einen stationären Bau handelt. Das wesentliche Merkmal eines Fliegenden Baus ist das Fehlen einer festen Beziehung der Anlage zu einem Grundstück. Das Fehlen dieser festen Beziehung bedeutet jedoch nicht, dass man einfach irgendwo eine „windige“ Konstruktion errichten kann. Ab einer gewissen Höhe und Fläche benötigt ein fliegender Bau ein individuelles Prüfbuch mit Ausführungsgenehmigung, welches Nachweise der Standsicherheit enthält.
Voraussetzungen für Statik und Konstruktion
Ein Teil dieser statischen Nachweise bezieht sich auf die Kräfte, die durch den Bau in den Boden der Aufstellfläche eingeleitet werden. Aber auch kleinere fliegende Bauten ohne Prüfbuchanforderung – zum Beispiel Bühnen unter fünf Meter Höhe inklusive Bedachung oder Zelte mit einer Grundfläche unter 75 m2 – müssen standsicher ausgeführt werden. Dies wird nur gelingen, wenn der vorgesehene Standort eine solche Konstruktion auch tragen kann. Doch was ist, wenn sich die Auftraggeber in den Kopf gesetzt haben, dass das Konstrukt auf schwierigem Untergrund am Hang, auf Geröll, auf Schnee, direkt am Ufer oder sogar auf dem Wasser entstehen soll?
In den einschlägigen Regelwerken wird gefordert, dass die Tragfähigkeit und Oberflächenbeschaffenheit des Standplatzes dem Verwendungszweck entsprechend geeignet sein muss. Dies ist von den Errichter:innen sicherzustellen und ist auch bei einer – im Allgemeinen als Bauabnahme bezeichneter – Gebrauchsabnahme durch die zuständige Stelle vor Ort Gegenstand der Prüfung ob die Standsicherheit des Fliegenden Baus im Hinblick auf die örtlichen Bodenverhältnisse gewährleistet ist.
Geschäftsführer Michael Lück von Expo Engineering, einem auf die Bereiche Statik und Konstruktion in der Veranstaltungstechnik spezialisiertem Ingenieurbüro, gibt dazu folgende Erläuterungen: „Bei den Fliegenden Bauten beschränkt sich das Regelwerk auf die DIN EN 13814 „Fliegende Bauten und Anlagen für Veranstaltungsplätze und Vergnügungsparks“, sowie DIN EN 13782 „Fliegende Bauten – Zelte“ und damit auch die Untergründe. In besonderen Fällen müssen Statiker:innen im Einzelfall Nachweise führen, die die Standsicherheit belegen. In der DIN EN 13814 sind Angaben zur Tragfähigkeit (Bodenpressung) für befahrbare Böden gegeben – diese werden zur Ermittlung der Unterpallungsfläche angesetzt. Auch im europäischen Ausland gelten ähnliche Vorschriften, zumindest was die Normen und technischen Regeln angeht. Wir haben inzwischen eine harmonisierte Normierung in den europäischen Ländern. Das zeigt auch die Bezeichnung „EN“ in den Titeln der Normen. Die bauaufsichtliche Seite ist jedoch selbst bei lokalen Bauämtern der Gemeinden unterschiedlich streng gehandhabt. Das Baurecht in Deutschland ist Ländersache, was aber nicht heißt, dass in einem Bundesland die Vorschriften gleich gelebt werden. In anderen europäischen Ländern ist die Durchsetzung ähnlich, dazu zählen Österreich und die Schweiz. Dort wird auch immer häufiger ein Prüfbuch – gerne auch aus Deutschland – für Fliegende Bauten gefordert.“
Anbieter von Fliegenden Bauten fordern in ihren Angeboten oft als Aufstellfläche „ebenen und befahrbaren Boden“. Es empfiehlt sich daher sehr, sich bei einer solchen Planung frühzeitig mit dem gewünschten Ort zu beschäftigen. Aussagen über die Bodentragfähigkeit in Hallen sind üblicherweise einfach zu erhalten und werden in kN/qm (KiloNewton pro Quadratmeter) angegeben. Auch wenn sich Physiker:innen aufgrund der Ungenauigkeit dabei die Nackenhaare sträuben, kann man vereinfacht sagen, dass man bei einer Angabe von 1 kN/qm auf einen Quadratmeter 100 Kilogramm stellen darf. Dieses Gewicht ist allerdings gleichmäßig auf den Quadratmeter zu verteilen. Schwieriger sind Aussagen über die Tragfähigkeit von Böden im Außenbereich. Hat man eine geschlossene Fläche wie Asphalt oder Pflasterung im öffentlichen Bereich hat man gute Chancen an die entsprechenden Belastungswerte zu kommen, aber auch private Flächen sollten oft über Tragfähigkeitsangaben verfügen.
Im Zweifel sollte man die Werte bei den Eigentümer:innen des gewünschten Aufstellortes anfragen. Besonderer Beachtung bedürfen oft in Innenstadtbereichen anzutreffende Flächen über Tiefgaragen, deren Tragfähigkeit im Vergleich zu umgebenden Bereichen eingeschränkt sein kann. Doch was ist, wenn es sich nicht um eine künstlich geschlossene Fläche sondern um mehr oder weniger natürlichen Boden wie eine Wiese oder einen Acker handelt?
Vorgehensweise bei natürlichen Böden
Bei der Beschäftigung mit dieser Materie gibt es zwei Herangehensweisen: Handelt es sich bei der aufzustellenden Konstruktion um einen Standardbau – wie zum Beispiel ein Zelt oder eine Standardbühne – sind in den dazugehörigen statischen Berechnungen des Prüfbuches auch die Belastungswerte ausgewiesen, die der Aufstellort erfüllen muss. Werden diese nicht erreicht, kann man die sogenannte Unterpallung in Maßen vergrößern. Bei der Unterpallung handelt es sich um Lastverteilungsplatten, deren Ausführungen als Teil der statischen Berechnung festgelegt sind. Eine Vergrößerung verteilt das aufzunehmende Gewicht auf eine größere Fläche. Eine andere Herangehensweise ist die Orientierung an der möglichen Tragfähigkeit des Untergrundes, um dann eine geeignete Konstruktion als Sonderbau individuell dafür zu planen. Allerdings gilt es immer zu berücksichtigen, dass sich die Bodenverhältnisse vom Zeitpunkt der ersten Überlegung bis zur Veranstaltung durch äußere Einflüsse wie langanhaltenden Regen, tauenden Schnee, aufsteigendes Grundwasser oder Überflutung in Gewässernähe ändern können.
Michael Kelm, Architekt und Niederlassungsleiter von Nüssli Deutschland, erklärt: „Ein durchschnittlicher Anforderungswert für die Traglast eines Bodens sind 200 KiloNewton pro Quadratmeter. Wenn der Untergrund bekannt ist und bereits Erfahrungen mit der Fläche vorliegen, ist das oft unproblematisch. Drei grundsätzliche Fragen sind bei der Planung relevant: Was möchte ich mit der Konstruktion machen, wo soll sie stehen und wie bekomme ich das Material und die möglicherweise nötigen Hilfsmittel dorthin? Bezüglich der Funktionalität stellt sich die Frage: Muss das Bauwerk nur sich selbst tragen oder muss es auch zusätzliche Verkehrslasten über einen zusätzlich eingebauten Boden aufnehmen? Wenn ja, wie hoch müssen diese sein? Dabei gelten für uns 5 kN/qm als Standard; im Automobilbereich sind aber teilweise Böden nötig, die 7,5 bis 10 kN tragen können. Dabei können Bodenausführungen auch partiell gestaltet werden: Dort wo hohe Lasten zum Beispiel für Fahrzeuge benötigt werden, wird ein tragfähigeres Material eingesetzt als dort, wo dies nicht der Fall ist. Die Funktion des Bauwerks sollte vom Kunden genau beschrieben werden. Oft kommt es im Planungsverlauf vor, dass der Auftraggeber die Aufgabenstellung erweitern möchte. Wenn sich dadurch Parameter wie zum Beispiel die aufzunehmenden und abzuleitenden Kräfte wesentlich ändern, kann es nötig sein, einen komplett neuen Ansatz zu finden.
Die Anforderung an das Bauwerk, die Bodenbeschaffenheit und die Möglichkeiten für Auf- und Abbau vor Ort sind ausschlaggebend für die Wahl der Konstruktion. Bei Nutzung eines Gerüstsystems verteilen sich die Kräfte aufgrund der Kleinteiligkeit auf die Menge der verwendeten Spindelfüße. Andere Systeme basieren auf wenigen Stahlstützen, für die Fundamente an den notwendigen Stellen gegossen werden könnten. Auch eine Kombination der Systeme ist möglich. Bei größeren Konstruktionen ist Stahl aufgrund der Belastbarkeit und der Möglichkeit, höhere Spannweiten zu realisieren, oft das bessere Material als Aluminium. Vorteilhaft ist es oft, zuerst Wände und Decke zu errichten und die Arbeiten im Inneren des Baus auch mit schwerem Gerät ausführen zu können, bevor ein Boden eingebaut wird. Berücksichtigt werden muss die Zugangsmöglichkeit zum Aufstellort: Je größer die einzelnen Bauteile sind, desto schwerere Hilfsmittel werde ich dafür benötigen. Benötige ich für die Montage einen Kran muss der Untergrund dessen Einsatz auch erlauben. Ist es nicht möglich, größere Einheiten zum Bauplatz zu schaffen, wäre ein kleinteiligeres System wie ein aus einzelnen Stangen zusammengesetztes Gerüstsystem die bessere Wahl, welches mit kleineren Fahrzeugen oder – wenn es gar nicht anders geht – sogar händisch angeliefert werden kann.“
Beschaffenheit und Belastungsfähigkeit prüfen
Dirk Schmidt-Enzmann, Gründer von Media Spectrum, erläutert, warum die ausführliche Beschäftigung mit der Aufstellfläche wichtig ist: „Oft sind Gefälle im Gelände mit dem Auge nicht so gut wahrnehmbar. Eine Nivellierung des Platzes kann je nach Örtlichkeit eine wirksame Maßnahme sein. Ein nicht augenfälliger Höhenunterschied über eine gesamte Bühnenbreite kann durchaus relevante Größen erreichen und die Anpassung ist mit einer im Prüfbuch beschriebenen Unterkonstruktion aufgrund maximal zulässiger Spindelwege nur in Grenzen möglich. Daher ist es besser, die Aufstellfläche im Vorfeld exakt auszumessen.
Ein Unterbau kann durch Höhenversprünge der Unterkonstruktion angepasst werden, wenn man eine anständige Vorplanung hat. Dabei muss geschaut werden, ob das bestehende Prüfbuch eine solche Variation zulässt. Im Zweifel sollte man die abnehmende Baubehörde bereits im Vorfeld einbinden und gemeinsam nach Lösungen suchen. Eine nicht fachgerechte Ausführung des Unterbaus wird bei einer Abnahme nicht durchgehen. Selbst Rasenflächen in Fußballstadien können durchaus ernstzunehmende Höhenunterschiede aufweisen. Hier kommen noch weitere im Boden befindliche zu berücksichtigende Faktoren wie Drainagen, Sprinkleranlagen und Rasenheizungen dazu, die die Belastungsfähigkeit eines Bodens verringern“.
Bei solchen zu schützenden Flächen können Bodenschutz- und Lastverteilungsplatten eingesetzt werden wie sie von der Firma eps verwendet werden. Jens Hesse, Senior Salesmanager eps, beschreibt die Anwendungsfälle: „Bei nichtausreichender Belastbarkeit des Bodens werden Lastverteilungsplatten eingesetzt, um die Kräfte auf eine größere Fläche zu verteilen. Dabei wird unterschieden, welche Aufgabe die Systeme haben. Leichtere Beläge – oft aus Kunststoff – können als Rasenschutzsysteme für Publikumsflächen benutzt werden, um zum Beispiel den Stadionrasen im Publikumsbereich eines Konzertes zu schützen. Diese dürfen allerdings nicht mit schwerem Gerät befahren werden. Dabei ist eine Rasenabdeckungsdauer je nach Witterung von vier bis sieben Tagen möglich, ohne den Rasen zu beschädigen; grundsätzlich gilt aber: Je kürzer desto besser.
Größere Lasten zum Beispiel für den Bühnenstandort benötigen kräftigere Lastverteilungsplatten, die eher aus Metall gefertigt werden. Diese können auch als Zuwegung für Zu- und Abfahrt von Materialtransporten zur Vermeidung von Fahrspuren oder als Aufstellfläche für einen Kran genutzt werden, wenn der Boden dies sonst nicht erlauben würde. Üblicherweise werden die Flächen des Bühnenstandortes als erstes vor Beginn aller weiteren Aufbauten belegt und auch erst nach erfolgtem Abbau als letztes wieder aufgedeckt und liegen daher immer einige Tage. Weniger sensibler Rasen wie in einem Park kann sich möglicherweise danach wieder erholen. Bei Stadionrasen sollte man einkalkulieren, dass der Rasen anschließend erneuert werden muss – bei Durchführungen in Fußballstadien ein üblicher Vorgang. Bodenschutzsysteme oder Lastverteilungsplatten werden auch manchmal indoor eingesetzt, wenn die Oberfläche zu schützen ist oder sie den Belastungen ohne Verteilung nicht standhalten würde.“
Standsicherheit berücksichtigen
Auch ein temporärer Bau muss standsicher sein und dort bleiben, wo er stehen soll. Im Außenbereich ist er den Elementen ausgesetzt, von denen Wind die größte Auswirkung hat. LED-Wände und andere Aufbauten bieten zusätzliche Windangriffsfläche und erzeugen weitere Kräfte, die abgeleitet werden müssen, damit daraus nicht ein „fliegender Bau“ im Wortsinn wird.
Zu berücksichtigen ist dabei zunächst das Eigengewicht der Konstruktion. Vorteilhaft bei einer überdachten Bühne ist zum Beispiel, wenn das Bühnenpodest konstruktiv mit der Überdachung verbunden ist und als Ballast des Gesamtbaus dient. Die jeweilige Ausführung ist im zum Bau gehörigen Prüfbuch beschrieben oder muss im Rahmen eines Sonderbaus mit den entsprechenden Anforderungen an statische Berechnung und anschließende Prüfstatik nachgewiesen werden. Reicht das Eigengewicht der eigentlichen Konstruktion nicht aus, können zusätzliche Gewichte als Ballast eingesetzt werden. Als Alternative dazu ist es auch möglich, den Bau am Boden zu befestigen, wenn das vor Ort möglich ist. Die bekannteste Möglichkeit ist sicherlich, die aus dem Zeltbau bekannte Verwendung von Erdnägeln.
Bei höheren Ansprüchen finden Systeme aus dem Baubereich Verwendung wie Schraubfundamente – die durch Verdrängung und Verdichtung im Boden halten – oder Erdklappanker, bei denen das System in den Boden getrieben wird und anschließend durch Zug im Erdreich eine Fläche ähnlich einem Klappspaten ausklappt. Solche Systeme ermöglichen in Abhängigkeit der Bodenqualität die Aufnahme von mehreren Tonnen Zugkraft.
Einflüsse auf die Bodenbeschaffenheit
Auch Anbieter von Schirmsystemen, bei denen ein meist rundes Dach je nach Ausführung mit bis zu fast 40 Metern Durchmesser auf mehreren senkrechten Stützen ruht, schauen sich den von Kund:innen gewünschten Aufstellort genau an. Da bei diesen Systemen die Ballastierung an den einzelnen Stützen kompakt ausgeführt wird, um die Nutzfläche unter dem Schirm möglichst wenig zu beeinträchtigen, muss der Untergrund diese auch tragen können.
Mark Liese, Geschäftsführer des Anbieters Magic Sky, führt dazu aus: „Bei Rasenflächen, deren Tragfähigkeit nicht bekannt ist, kann man Plattendruckversuche durchführen lassen. Es handelt sich dabei um ein relativ einfaches Verfahren, dessen Durchführung bereits für einige hundert Euro durch eine oft ortsnahe Fachfirma aus dem Baubereich möglich ist. Dabei wird die obere Grasnarbe entfernt, eine Druckplatte aufgesetzt und die erreichten Werte gemessen. Oft wird man feststellen, dass man sich bereits in Größenordnungen von 60 bis 80 kN/m² bewegt. Durch den Einsatz von Ausgleichsmaßnahmen wie Lastverteilungsplatten kommt man üblicherweise relativ schnell auf Werte für befahrbare Böden.
In den zu den Systemen gehörigen Prüfbüchern sind natürlich auch mögliche Windkräfte berücksichtigt. Bei Schirmsystemen können im Sturmfall durch Lastverlagerung auch mal fünf bis sechs Tonnen zusätzlich zum Eigengewicht auftreten. Schirmsysteme sind je nach Ausführung auch als Zufluchtsstätte zugelassen, das bedeutet Menschen können auch über Windstärke 8 noch unter einen Schirm, da kann man kein Risiko eingehen.“ Bei einer Standzeit länger als drei Wochen empfiehlt Mark Liese auch bei nicht problematischen Untergründen immer die Einbringung einer Schotterverfüllung unter einer Lastverteilungsplatte für die Stützenpositionen.
Da der Errichter eines Baus für den sicheren Stand auch während der Laufzeit verantwortlich ist, erklärt Felix Lenz, Geschäftsführer von Skyliner: „Man muss sich immer mit der Frage beschäftigen welche Lasten bestehen und auf welche Flächen diese verteilt werden können. Eine fachkundige Betreuung auch während der Standzeit ist notwendig, da sich die Belastbarkeit des Bodens zum Beispiel durch Niederschlag ändern kann. Nicht alles ist immer vorhersehbar; daher müssen Entscheidungswege gut überlegt sein und man sollte immer einen Plan haben wenn doch etwas Unvorhergesehenes passiert.“
Hartmut Welzel, Geschäftsführer von Welzel Anlagen, weist darauf hin, dass nicht nur unter einem Stadionrasen unsichtbare Herausforderungen verborgen sein können: „Wenn es nötig ist, Bodenanker zu setzen, sollte man sich bei manchen Standorten auch für temporäre Bauten – wie im stationären Baubereich üblich – Gedanken über möglicherweise im Boden liegende Kampfmittel machen. Darüber hinaus können im Boden auch Gas-, Wasser- und Stromleitungen verborgen sein. Eine Nachfrage beim örtlichen Versorger kann Aufschluss über den betreffenden Verlauf geben. Wenn man sich unsicher ist, hilft nur graben und nachsehen.
Ein weiterer Aspekt bei einer Planung ist: Kann ich den Ort zerstören? Auch wenn diese Frage vielleicht provokant formuliert ist; ein Aufstellort ist immer ein örtlicher Eingriff mit kurz-, mittel- oder auch langfristigen Folgen in Bezug auf Bodenveränderung und der Zerstörung von Pflanzen. Diese Überlegung sollte mit dem Auftraggeber besprochen und möglicherweise notwendige Maßnahmen im Vorfeld besprochen werden.
Eventbauten auf dem Wasser
Als Sonderfall ist eine Konstruktion im Wasser zu betrachten. Wichtige Faktoren für die Wahl der Durchführung sind dabei, ob es sich um stehendes oder fließendes Gewässer handelt, ob mit unterschiedlichen Wasserständen zu rechnen ist und wie der Untergrund beschaffen ist. Eine Konstruktion auf dem Wasser kann schwimmend oder auf dem Grund stehend ausgeführt werden. Im letzten Fall sind natürlich ebenfalls die Untergrundgegebenheiten der Standfläche zu berücksichtigen. Michael Kelm: „Bei einer im Wasser stehenden Gerüstunterkonstruktion muss diese bei Aufbau und Betrieb durch einen Taucher überprüft werden. Es empfiehlt sich beim Aufbau eine minimale Ausspindelung zu verwenden, um im Zweifelsfall korrigieren zu können. Für eine schwimmende Ausführung können Pontons verwendet werden; wichtig sind dabei Faktoren wie Tragfähigkeit und Stabilität, also wie ruhig das System im Wasser liegt. Zuständig für eine Abnahme einer solchen Konstruktion sind nicht die Baubehörden, sondern die lokalen Wasserwirtschaftsämter. Die statischen Ansätze und technischen Ausführungen werden nach den Regeln für fliegende Bauten trotzdem beachtet. Auch hier dürfen auftretende Windkräfte nicht unterschätzt werden.“
Ein großer einteiliger Schwimmponton bietet den Vorteil, dass dessen Oberfläche zwar nicht verwindungsfrei, aber erheblich verwindungsstabiler ist als ein aus mehreren Einheiten zusammengesetzter Schwimmkörper – ein Vorteil insbesondere bei möglicher Wasserbewegung wie Wellen. Ähnlich wie bei den Konstruktionen an Land ist auch hier die Frage relevant, wie man das Material an den Veranstaltungsort bekommt.
Die Firma StageCo hat im Auftrag der Autostadt Wolfsburg für eine Schwimmbühne ein entsprechendes Konzept entwickelt und die nötigen Sonderbauteile geplant und konstruiert. Da der endgültige Spielort für die Montage und Demontage nicht zugänglich war, wurde das Konstrukt auf dem Mittellandkanal neben dem VW-Kraftwerk auf einem 50 x 30 m großen Ponton montiert und dann mit Schubkähnen zum endgültigen Spielort verfahren. Die Bühnenkonstruktion mit einer Gesamthöhe von 33 Metern und einer Spielfläche von 1000 m2 wurde mit 150 an den Ponton geschweißten Laschen mit diesem verbunden. Die statische Dimensionierung ergab, dass für die Abspannungen der Konstruktion Stahlseile mit einem Durchmesser von 40 Millimetern zum Einsatz kommen mussten, die nur per Kran eingebaut werden konnten.
Bodenfläche aus gekoppelten Pontons
Aber nicht immer bietet das gewünschte Gewässer diese Möglichkeiten. Einfacher wird es mit kleineren Pontoneinheiten, die miteinander zu einer Gesamtfläche verbunden werden. Ein Anbieter solcher Systeme ist die Firma event-pontons. Inhaber Michael Sautter führt dazu aus: „Grundsätzlich unterscheidet sich für die Genehmigung einer Bühne zunächst, ob das Gewässer privat oder öffentlich ist, und wenn öffentlich schiffbar oder nicht. Danach ist festzulegen, ob die Bühne ganz ohne Aufbau, oder nur mit Ground-Support versehen werden soll, oder ob ein richtiges Bühnendach mit Seitenwänden darauf zum Einsatz kommt.
Eine Schwimmbühne aus gekoppelten Pontons ist im Sinne des Schifffahrtsrechtes eine temporäre schwimmende Anlage. Sie muss vom zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt in jedem Einzelfall zugelassen werden. Dazu ist ein Schwimm-Stabilitätsnachweis vorzulegen, der Auskunft über die zulässige Traglast und Kentersicherheit gibt. Zusätzlich wird eine Berechnung der Verankerungskräfte verlangt. Schwimmende Bühnen können mit nautischen Ankern, mit Mooringsteinen, an „Dalben“ oder an sogenannten „Schorbäumen“ verankert werden. „Dalben“ sind senkrecht in den Gewässergrund gerammte Stämme oder Rohre. „Schorbäume“ sind liegende, ausgesteifte Träger, die an landseitigen Fundamenten befestigt sind und über Gelenke Wasserstandsunterschiede ausgleichen. Kommt nun ein fest mit den Pontons verbundenes Bühnendach darauf, muss ein Statiker in einem Gesamtgutachten die Anforderungen des Bühnendaches als fliegender Bau mit dem Stabilitäts- und Verankerungsgutachten zusammenführen und für den geplanten Einsatz bestätigen.
Anders ist es bei Bühnen, die auf zugelassenen Binnenschiffen errichtet werden, oder demontierbare Schwimmbühnen, die eine eigene Schiffszulassung haben. In diesem Fall gilt die Zulassung während der Gültigkeitsdauer der Schiffspapiere und ein Dach kann analog den Regeln eines fliegenden Baus befestigt werden. Zuständig für ein Genehmigungsverfahren sind die Wasser- und Schifffahrtsämter, die je nach Lage des Einsatzes verschiedene “Träger öffentlicher Belange“ dazu ziehen. Dazu zählen auf jeden Fall die Wasserschutzpolizei und die Natur- und Gewässerschutzbehörde, aber auch Fischer und Angler, bis hin zu Unterwasser-Archäologen.“
Verankerungsmöglichkeiten in Gewässern
Geschäftsführer Boris Kube der Firma Europonton berichtet von seinen Erfahrungen: „Eine sinnvolle Herangehensweise ist, sich erst einmal nach dem Besitzer beziehungsweise dem Betreiber des Gewässers zu erkundigen. Meist ergibt sich dann aus diesem Telefonat wer noch alles ein Wörtchen bei der Genehmigung mitzureden hat. Das kann von Gewässer zu Gewässer massiv variieren. Oftmals reicht eine unverbindliche telefonische Voranfrage, um zu erfahren, wie die Behörde grundsätzlich zu der Genehmigungsfähigkeit des angefragten Projektes steht. Das kann einem eine ganze Menge Planungsarbeit ersparen. Die Verankerung ist immer ein sehr variabler Posten aufgrund der Abhängigkeit der örtlichen Situation und den unterschiedlichen Eventflächen. Grundsätzlich ist eine Verankerung in einem Fließgewässer immer komplexer als in einem stehenden Gewässer.
Zudem unterscheidet man noch nach der Bodenbeschaffenheit. Künstliche Gewässer zum Beispiel in Parkanlagen haben oftmals eine Beton- oder Tonsole. Hier kann man dann nur mit Gewichten oder seitlichen Abspannungen zum Ufer arbeiten. Schwimmbeckenböden können meist keine großen Lasten tragen. Hier muss man meist komplett über Wasser und damit sichtbar verankern. Der ideale Ort ist ein stehendes Gewässer mit einem sandig-schlammigen Boden mit nicht allzu großer Wassertiefe. Hier kann man mit sehr gut mit Wurfankern arbeiten, die man meistens sogar komplett unsichtbar verbauen kann. Natürlich ist auch ein Ponton innerhalb eines Hafens meist sehr gut zu verankern, da man viele Verankerungsmöglichkeiten an den Hafenmauern findet. Beim Thema Verankerungen fällt mir direkt ein großer Schwimmponton in Österreich ein. In den letzten Kriegstagen wurde am Veranstaltungsort Kriegsmaterial versenkt. Wir mussten speziell ausgebildete Marinetaucher in Anspruch nehmen, um die Arbeiten unter Wasser für uns durchzuführen zu lassen. Das Thema Kriegsaltlasten ist uns schon des Öfteren begegnet und verkompliziert den Arbeitsablauf beträchtlich.“
Wasser in seinen alternativen Aggregatszuständen Schnee und Eis als Standfläche ist ebenfalls genau zu betrachten. Hier ist es im Zweifel immer sicherer durch Grabung zu versuchen, auf einen festen Untergrund zu kommen. Ist dies nicht möglich, helfen auch hier Druckmessungen. Eine sehr genaue Beobachtung des Untergrundes während der Standzeit ist dabei unerlässlich, da naturgemäß Temperatur oder Regenfall die Beschaffenheit sehr schnell verändern können.
Professionelle Partner in die Planung einbeziehen
Je nach Größe und Wichtigkeit eines geplantes Baus kann es bei unklaren örtlichen Verhältnisse unerlässlich werden, ein Baugrundgutachten durch qualifizierten Anbieter:innen erstellen zu lassen, die durch Bewertung der Örtlichkeit mittels bestehender geologischer Karten und mechanischen Verfahren Aussagen über die Tragfähigkeit machen können. Auch bei einer Hanglage sollten Statiker:innen und Bodengutachter:innen befragt werden, damit es nicht zu einer Abrutschung kommen kann.
Letztlich ist nicht nur allein der Aufstellort des fliegenden Baus losgelöst von der Gesamtveranstaltung zu betrachten, insbesondere wenn eine temporäre Versammlungsstätte errichtet werden soll, in welcher sich Publikum aufhält. Bernd Frenz, Inhaber des Ingenieurbüros IFIS-FR, welches sich mit dem Thema Veranstaltungssicherheit beschäftigt, erklärt: „Auch die Sicherheit der Besucher ist bei der Planung der Aufstellung zu berücksichtigen, denn notwendige Fluchtwege und Sammelplätze müssen durch die Besucher trotz schwieriger Untergründe sicher erreicht werden. Diese Wege und Flächen müssen ebenfalls im Vorfeld eingeplant werden. Dabei ist die Überwachung auch in der Bauphase wichtig: Bei nicht exakter Platzierung zum Beispiel eines Zeltes entsprechend der vorherigen Planung kann ein ursprünglich vorgesehener Fluchtweg möglicherweise versperrt oder nicht mehr ausreichend sein und weitreichende Auswirkungen auf die Durchführbarkeit der Veranstaltung haben.“
Einig sind sich alle Gesprächspartner: Wer sich mit der Idee eines temporären Baus in schwierigem Gelände trägt, sollte frühzeitig den Kontakt zu erfahrenen Partner:innen suchen, die schon im Planungsstadium Aussagen zu Machbarkeit und zum Kosten-/Nutzenverhältnis treffen können.