Wie nehmen Menschen Räume wahr? Und was bedeutet das für die Location-Wahl fürs nächste Event? EVENT PARTNER befragte drei Expert:innen aus den Bereichen Raumpsychologie, Architektur und Feng-Shui.
Platons Höhlengleichnis durchdringt die Frage, ob wir in einem geschlossenen Raum überhaupt so etwas wie Wirklichkeit wahrnehmen können. Für Friedrich Schilling dagegen ist die Zeit der zum Objekt werdende innere Sinn, der Raum der entsprechende äußere Sinn. Nicht nur Anhänger:innen der daoistischen Harmonielehre des Feng-Shui wissen: Gelungene Architektur ist eine Äußerung der Seele, berührt den Menschen in seiner Gesamtheit, welche man wiederum als Seele identifizieren kann. Die Raumpsychologin und Beraterin Dr. Astrid Gerhardt aus Wilhelmsdorf, der preisgekrönte Designer und Architekt Dirk Bachmann-Kern vom gleichnamigen Studio in Solingen und die diplomierte Feng-Shui-Architektin Beatrix Beierle-Brinkmann aus Menden, die sich besonders um die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung einsetzt, geben Einblick in die Grundlagen gelungener Gestaltung.
Für Dr. Astrid Gerhardt, die unter anderem in Schweden Design und Architektur studierte, schließt sich durch die Promotion in Psychologie quasi ein Kreis, um die drei Perspektiven der Funktionalität, der Wirtschaftlichkeit und des Menschen betrachten zu können. Ganz wichtig für sie sind die ökologischen Umweltfaktoren zu den Themen Licht, Temperatur und Farbe. Es geht um das erste Empfinden, wenn man in einem Raum ankommt. Fühlt man sich wohl oder fühlt man sich nicht wohl? Das sind wichtige Faktoren. Das Design kommt natürlich auch dazu, aber im Vordergrund steht das Wohlbefinden. Dieses wäre auch bei einem richtig schönen Raum nicht gegeben, wenn man beispielsweise darin friert. Dann herrscht eine Kälte, obwohl der Raum vom Ambiente her eigentlich warm ist. Mit schlotternden Gliedern oder kalten Händen und Füßen fühlt man sich eben nicht behaglich. Oder wenn der Raum ganz dunkel ist.
Wenn die Energie eines Raumes in Harmonie zu unserer eigenen Energie steht, erfüllt uns auf Anhieb Wohlsein. Das entspricht der Liebe auf den ersten Blick. Genau wie bei menschlichen Beziehungen können diese aufeinandertreffenden Energien entweder verbindendes oder – aufgrund von Gegensätzen – an- oder sogar aufregendes Potenzial haben. Dieses kann bei einer Feng-Shui-Beratung erkannt und je nach Erfordernis gelenkt werden. Für die Imperial-Feng-Shui-Beraterin Beatrix Beierle-Brinkmann, die ihr Studium als Dipl.-Ing Architektin abgeschlossen hat, nehmen wir einen Raum zunächst mit den Augen wahr. Aber dann entsteht auch schnell ein Gefühl für die Atmosphäre im Raum. Feng-Shui basiert darauf, dass der Mensch seine Umgebung unbewusst wahrnimmt und mit seiner eigenen Energie abgleicht. Unser Unterbewusstsein erkennt unterstützende oder störende Einflüsse der Raumform, der Farbgestaltung oder des räumlichen Energiepotenzials und beeinflusst so, ob wir uns in Räumen wohl oder unwohl fühlen.
Ganzheitliche Sinnlichkeit
Dirk Bachmann-Kern begann als Werbetechniker. In Ostwestfalen hat er dann ein Innenarchitekturstudium abgeschlossen, beschäftigte sich aber von Anfang an mit der Kommunikation im Raum. Das macht er äußerst erfolgreich, so gab es vor kurzem wieder einen Brand-Ex-Award in Silber für einen Messestand. Das Designstudio entwirft aber auch Showrooms, ist also nicht nur für temporäre Architektur gefragt. Raumwahrnehmung ist für ihn auch viel mehr als eine biologisch-physikalische Fähigkeit, die sich rational erklären lässt. Nicht nur der Sehsinn ist ein Faktor, sondern ganzheitliche Sinnlichkeit. Man kommt in einen Raum und nimmt dessen Gesamtheit wahr. Es sind eben nicht die einzelnen Elemente, wie eine Wand, Deko, Möbel, die zur Entstehung eines Gefühls zu einem Raum führen. Beim Hereinkommen empfindet man sofort, ob er stimmig oder unstimmig ist. Es passt oder es passt nicht, man fühlt sich wohl oder unwohl. Betritt man beispielsweise eine Arztpraxis und muss mitten durchs Wartezimmer an allen Patient:innen vorbei zum Empfangscounter laufen, dann dürfte das dem Wohlbefinden entgegenwirken.
Kein Mensch, so Bachmann-Kern, analysiere direkt einen Raum, prüfe die Gliederung oder Proportionen. Die Raumwahrnehmung ist wesentlich unterbewusst. Ob man die jeweilige Emotion auf den Raum selbst oder auf Menschen projiziert, die sich darin befinden, das kann man gar nicht sagen. Im Studium lernt man natürlich, Räume bewusster wahrzunehmen und sie zu beurteilen. Aber ein Rezept für den perfekten Raum gibt es nicht, denn für die meisten bleibt die Raumwahrnehmung ein Gefühl, zum dem ganz viele individuelle soziokulturelle Erfahrungen und psychologische Einflüsse beitragen.
Roter Faden im Raumkonzept
Für seine Aufgabenstellungen ist es natürlich besonders wichtig, mit Räumen die Aufmerksamkeit der Besucher:innen auf das entworfene Objekt, eine Marke und das Unternehmen zu lenken. Farbe und Licht machen da ganz viel aus, erläutert Dr. Astrid Gerhardt: Es fließen aber unterbewusst auch die Umweltfaktoren mit ein. Temperatur, Farbe und Licht müssen als angenehm empfunden werden. Die Luft darf natürlich auch nicht übel oder nach völlig überzogenem Parfüm riechen. Ein lieblicher Duft ist okay, er darf nur nicht abstoßend sein. Ordnung und Strukturen helfen ebenfalls.
Hier schließt sich die Erfahrung des Praktikers mit der der Raumpsychologin kurz. Bei der Messearchitektur sieht man oft Räume im Sinn von Wänden, Decke, Boden, alles schön horizontal und vertikal, die funktional miteinander verbunden sind. Dirk Bachmann-Kern sieht die Beziehung des Standes zu seinem Umfeld und betrachtet ihn auch als sozialen Raum: „Wir nutzen die entsprechenden ‚Freiräume‘, in denen wir etwas kreieren. Ein Eyecatcher reicht nicht, um die Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn ein roter Faden, der sich durch das gesamte Konzept und die Gestaltung ziehen sollte, fehlt, dann hilft auch der beste Eyecatcher oder das Highlight des Standes nichts. Dann habe ich zwar flüchtig Aufmerksamkeit erregt, aber die Verweildauer und die Auseinandersetzung mit der Marke und den Botschaften sind extrem kurz.“
Akupunktur im Raum
Die Feng-Shui-Architektin Beierle-Brinkmann sieht das sehr ähnlich. In der Regel soll das Raumdesign entsprechend der Nutzung positive Aufmerksamkeit erregen. Dafür ist es wichtig, dass der Raum Klarheit vermittelt. Die Gestaltung muss der Nutzung entsprechen und eine erkennbare Ordnung aufweisen. Durch Anwendung von Feng-Shui-Methoden können zusätzlich bestimmte Energiepunkte im Raum akzentuiert werden. Beatrix Beierle-Brinkmann nennt das Akupunktur im Raum. So wird das Raumdesign gezielt aufgewertet und erhält die gewünschte Aufmerksamkeit. Reduktion und Konzentration heißt ein solcher Ansatz.
Für den Kommunikator Dirk Bachmann-Kern hat gute Kommunikation im Raum immer eine Idee, offensichtliche Klarheit und darauf basierend eine erkennbare Ordnung. Der größte Fehler besteht für ihn in der häufigen Konzeptionslosigkeit. Mit Konzept meint er nicht eine Ansammlung von Dingen, die man schön findet, wie Möbel oder Produkte und Exponate. Er meint damit eine grundlegende Idee zur Kommunikation, eine davon abgeleitete Storyline und klare Vertiefungsebenen.
Rückzugsmöglichkeiten schaffen
Die Raumpsychologin Gerhardt wünscht sich Offenheit, aber auch Rückzugsmöglichkeiten, die Privatheit schaffen, um alles in Ruhe wirken zu lassen. Ein großer Fehler sei es, wenn Rückzugszellen fehlen würden. Oder Räume zu eng sind, so dass ungewollter Körperkontakt entsteht.
Das Feng-Shui kennt verschiedene Faktoren, die ein Gebäude oder einen Raum negativ beeinflussen. Verwinkelte Grundrisse verhindern einen klaren Energiefluss oder weisen Fehlbereiche auf, die den Bewohner:innen oder Benutzer:innen erforderliche Energie nicht zur Verfügung stellen können. Ein wichtiger Aspekt im Feng-Shui ist das „sichere Gefühl“. Das haben viele schon bei sich selbst beobachtet. In den eigenen Räumen, aber auch in öffentlichen Bereichen sitzt man gerne mit dem Blick zur Tür und mit dem Rücken zur Wand. Räume mit vielen Türen bieten keine Ruhe- oder Konzentrationsmöglichkeit. Auch unruhiges Wanddesign fördert innere Unruhe oder Aggressivität. Menschen fühlen sich immer dort wohl, wo die Energie von Mensch und Raum im Einklang ist. Dies spürt man besonders in Räumen, die Klarheit und Ruhe ausstrahlen.