#AlarmstufeRot: Das war die Großdemonstration zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft
von Redaktion,
Auf einer großen Bundesdemo in Berlin am 9. September 2020 forderten von 12:05 Uhr bis nach 18:00 Uhr über 15.000 Mitarbeiter und Vertreter des Veranstaltungswesens finanzielle Hilfen der Regierung, um den sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands vor dem Aus zu bewahren. Denn: Die bereitgestellten Hilfsmittel kommen in der Branche nicht an. Nur ein Prozent davon wurden laut dem Bündnis #AlarmstufeRot ausgezahlt.
Im Zuge der Pandemiebekämpfung wurde die Veranstaltungsbranche ihrer Existenzgrundlage beraubt. Eine Million Arbeitsplätze sind gefährdet und damit das wirtschaftliche Überleben von Beschäftigten und Unternehmen. Die einflussreichsten Initiativen, Verbände und Vereine dieser Branche haben schon zu Beginn des Veranstaltungsverbots das Bündnis #AlarmstufeRot gegründet. Unter diesem Schlagwort gingen die Beschäftigten bisher jeden Mittwoch in den deutschen Landeshauptstädten um fünf nach Zwölf auf die Straße, um für politische Rettungshilfen und eine Wahrnehrung durch die Regierungen in Bund und Ländern zu demonstrieren. Denn von 24,6 Mrd. Euro verfügbaren Mitteln wurden bis 31. August 2020 nur ein Prozent, also 248 Mio. Euro ausgezahlt. Die Vergabekriterien seien zu restriktiv und gehen damit an der Realität der notleidenden Betriebe vorbei.
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Verantwortung tragen und zeigen
Den vorläufigen Höhepunkt der dezentralen Kundgebungen bildete nun die Großdemonstration in Berlin. Mit roten Shirts, Masken, ausreichend Abstand und friedlich protestierten auf dem Demonstrationszug zu Fuß 6.500 Teilnehmer und vor dem Brandenburger Tor über 15.000 sowie in einem Fahrzeugcorso aus über 500 LKW. Als symbolischer Hilferuf dafür, dass die Branche alles verloren hat, wurde den Abgeordneten und der Regierung zwischen Reichstagsgebäude und Kanzleramt das letzte Hemd niedergelegt. Die laufende Pleite- und Entlassungswelle muss gestoppt werden, um den drittgrößten Veranstaltungsmarkt weltweit mit einem – Steuereinnahmen schaffenden – Umsatz von 130 Mrd. Euro zu sichern.
Sechs Forderungen an die Regierung
Auf der Bühne der Großdemonstration vor dem Brandenburger Tor wurden die sechs Kernforderungen der Veranstaltungswirtschaft aufgestellt. Dazu gehören erweiterte Überbrückungs- und Kreditprogramme, ein steuerlicher Verlustrücktrag sowie ein angepasster EU-Beihilferahmen und flexiblere Kurzarbeiterregelungen. Ziel aller Forderungen ist die Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen. Außerdem wird ein Rettungsdialog mit den Bundes- und Landesregierungen dringend benötigte. Anders als andere Wirtschaftszweige, für die es zentrale Beauftragte gibt, wird die vergessene Branche der Veranstaltungsberufe politisch nicht wahrgenommen. Die detaillierten Forderungen sind in der #AlarmstufeRot-Deklaration* zusammengefasst. Dass solch ein wirksames Rettungsprogramm möglich ist, zeigt übrigens das Beispiel Österreich. Hier wurde dank einem wirksamen und verantwortungsbewussten Förderprogramm der Ruin der Veranstaltungswirtschaft gestoppt.
Folgen der Demonstration
Der Protestzug vereinte die unterschiedlichen Berufsgruppen der vielfältigen Veranstaltungswirtschaft. So kamen die vielen tausenden Teilnehmer vor Reichstag und Brandenburger Tor zusammen. Zum Rettungsdialog an einer langen roten Tafel vor den Reichstagsstufen und auf der Bühne am Brandenburger Tor kamen Bundestagsabgeordnete der meisten Parteien und Regierungsvertreter. Alle haben die Notlage der Branche anerkannt und in Aussicht gestellt, sich für die Menschen der Veranstaltungswirtschaft einzusetzen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Einsatz kurzfristig zu den nötigen Rettungshilfen führt, oder ob er nicht zum Tragen kommt, wie nach der Night of Light am 22. Juni 2020 – der Nacht der 9.000 feuerrot erleuchteten Gebäude und Eventlocations, die bereits ein flammender Hilferuf der Branche war.
In Videogrußbotschaften oder live wie Herbert Grönemeyer zeigten prominente Künstler ihre Solidarität mit den Kollegen der Veranstaltungsbranche. Niemand zweifelt die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens an. Doch wenn der sechstgrößte Wirtschaftszweig des Landes ein derartiges Sonderopfer erbringen muss, dann müssen in Deutschland spezifische Rettungshilfen möglich sein, wie schon in vielen Nachbarstaaten.
Faktisches Berufsverbot
Die vergessene Branche fordert von der Regierung finanzielle Hilfen, da für die allgemein erforderliche Pandemiebekämpfung ihrer Existenzgrundlage beraubt wurde. Die Geschäftstätigkeit brach um 80 bis 100 Prozent ein. Existenzielles Ziel der Protestierenden ist, dass die Regierung Maßnahmen ergreift, um die Pleite- und Entlassungswelle in einer ganzen Branche aufzuhalten. Messebetreiber, Ausstatter von Geschäftsveranstaltungen, Technik- und Materialverleiher, Caterer, Vertreter aus der Kultur, mittelständische Betriebe und Einzelselbstständige sowie viele weitere Fachberufe stellen Kernforderungen, die eine politische Lösung und das wirtschaftliche Überleben von über einer Million Beschäftigten sichern.
Ohne Ausgleich Entschädigungsklagen unausweichlich
Der renommierte Inhaber des Bonner Lehrstuhls für Öffentliches Recht und der deutsche Spezialist für Eigentumsrecht, Prof. Dr. Foroud Shirvani, hat ein Gutachten* anhand eines für die Branche repräsentativen Unternehmens erstellt, das kleine und mittelständischen Betriebe umfasst. Das Gutachten sieht die Pflicht der Regierung als gegeben, das pandemiebedingte Sonderopfer des Veranstaltungssektors durch Hilfemaßnahmen zu kompensieren. Wenn die Regierung diese Hilferufe jetzt nicht hört und ohne Zeitverzug im Dialog Lösungen etabliert, bleibt nur der im Gutachten aufgezeigte Rechtsweg. Ob dieser noch von den heutigen Unternehmen beschritten werden kann, oder dann durch deren Insolvenzverwalter, ist offen. Jedem Insolvenzverwalter bleibt nur, den Rechtsweg einzuschlagen. Das Sterben der Branche löst das Problem für die Bundesregierung nicht.
Laut Gutachten ist das Veranstaltungsverbot ohne Entschädigung ein Verstoß gegen die Verfassung. Das Eigentum der Branchenbetriebe darf so nicht zerstört werden. Ein massiver, enteignungsähnlicher Eingriff in die Veranstaltungswirtschaft findet derzeit statt. Falls die Veranstaltungswirtschaft jetzt keine Beachtung durch die Regierung findet, sind über 10.000 Branchenunternehmen gezwungen, in Massenklagen Nothilfe einzuklagen. Konstruktiver ist es für alle Seiten, wenn die Regierung sofort einen Sonderbeauftragten für die Veranstaltungswirtschaft ernennt und eine Entschädigungs- und Ausgleichsregelung in Kraft setzt, statt dem Sterben von Firmen und der Vernichtung von mehreren 100.000 Arbeitsplätzen zuzusehen.