Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband), hat jüngst Energiesicherheit, Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftegewinnung sowie die Beibehaltung der 7% Mehrwertsteuer gefordert. Die Branche brauche jetzt Planbarkeit und verlässliche Perspektiven, betonte Zöllick.
Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kämpfe sich das Gastgewerbe aus der Krise, heißt es seitens des DEHOGA. Dank der seit April anziehenden Nachfrage wachse bei vielen Betrieben Zuversicht. Der Neustart der Branche werde allerdings erschwert durch die massiv steigenden Kosten und wachsenden Unsicherheiten in Folge des Ukraine-Krieges. „Die aktuellen Herausforderungen könnten kaum größer sein“, sagt Zöllick. Die Branche brauche jetzt Planbarkeit und verlässliche Perspektiven. „Ich erwarte, dass beste Pandemie-Vorsorge für den Herbst getroffen wird, erneute Beschränkungen und Schließungen werden viele Unternehmen nicht überleben. Die Zukunftssicherung der Betriebe und Arbeitsplätze muss jetzt Priorität haben.“
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Corona-Bilanz
Nach zehn Wachstumsjahren habe die Corona-Pandemie die Branche in ihre schwerste Krise der Nachkriegszeit gestürzt, berichtete Zöllick. „Neun Monate Lockdown und weitreichende Einschränkungen haben tiefe Spuren hinterlassen – bei den Unternehmern wie Mitarbeitenden.“ Für die Krisenjahre meldete die Branche Umsatzausfälle historischen Ausmaßes. 2020 brach der Umsatz laut dem Statistischen Bundesamt gegenüber 2019 um real 39,0% (nominal -36,5%) ein. Das Jahr 2021 fiel mit realen Einbußen in Höhe von 40,1% (nominal -36,1%) im Vergleich zum Vorkrisenjahr sogar noch schlechter aus. Auch im ersten Quartal 2022 musste das Gastgewerbe noch einen realen Umsatzverlust von 32,5% (-25,2%) verkraften. „Von März 2020 bis 2022 hat die Branche damit nominal 74,9 Milliarden Euro verloren“, so Zöllick.
Die Pandemie habe auch den gastgewerblichen Jobmotor mit voller Wucht getroffen. „Verheerende Umsatzeinbrüche, monatelange Kurzarbeit und Unsicherheiten – trotz größter Anstrengungen gelang es nicht überall, die Mitarbeitenden zu halten“, erläuterte der DEHOGA-Präsident. Der höchste Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurde im Mai 2021 nach dem langen Lockdown mit 14,5% registriert, das entspricht mehr als 160.000 Mitarbeitenden weniger als im Mai 2019. Erfreulich sei indes, dass nicht wenige Mitarbeitende zurückkehrten und auch wieder neue Mitarbeitende gewonnen werden konnten, betont Zöllick. Im März dieses Jahres zählte die Bundesagentur für Arbeit 1.004.700 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Branche. Das sind 63.699 weniger als im März 2019 (-6,0%), aber bereits rund 61.000 mehr als im März 2021. Dramatische Rückgänge gab es auch bei den Azubizahlen. „Aktuell erlernen fast 41.500 junge Menschen einen unserer sechs Ausbildungsberufe. 2019 waren es gut 51.000“, teilt Zöllick mit.
„Die Zahlen belegen: Mit der Reise-, Kultur- und Veranstaltungswirtschaft gehört das Gastgewerbe zu den von der Corona-Krise hauptbetroffenen Branchen“, fasst Zöllick zusammen und betont die Bedeutung der staatlichen finanziellen Unterstützung. „Keine Frage – die Kurzarbeiterregelungen und Wirtschaftshilfen waren richtig, konsequent und überlebenswichtig.“ Dafür sei die Branche dankbar. Ohne diese hätten sicherlich 70.000 Unternehmen nicht überlebt und die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt wären noch gravierender gewesen.
Hoffnungen auf dem Deutschlandtourismus
Hoteliers und Gastronomen würden jetzt auf eine gute Sommersaison setzen. „Der Nachholbedarf ist groß“, erklärt Zöllick. „Die Menschen freuen sich, wieder ausgehen, reisen und genießen zu können.“ Viele Menschen hätten Deutschland als Reiseland neu entdeckt. In vielen Regionen gebe es berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass die Betriebe in diesem Jahr an das Umsatzniveau von 2019 herankämen. Die touristische Nachfrage erhole sich schneller als die geschäftliche, das hätten auch die vergangenen Sommer gezeigt. „Messen, Firmenveranstaltungen und Geschäftsreisen finden auch wieder statt, aber noch nicht auf dem Vorkrisenniveau.“
Große aktuelle Herausforderungen
Explodierende Kosten bei Energie, Lebensmitteln sowie Personal würden allen Betrieben zu schaffen machen, berichtet Zöllick und verweist auf die Ergebnisse der jüngsten DEHOGA-Umfrage. Danach bereiteten den Betrieben die Energiekosten (85,6%), die Lebensmittelpreise (85,4%) und die Personalkosten (67,0%) allergrößte Sorgen. Besonders bitter sei zudem, dass gute Nachfrage oft nicht bedient werden könne, da Mitarbeitende fehlten. Anfang Juni beklagten rund 60% der Betriebe einen akuten Mitarbeitermangel.
Appell an die Politik
Angesichts dieser Herausforderungen für das Gastgewerbe fordert Zöllick von der Politik entschlossenes Handeln und die richtigen politischen Weichenstellungen. Neue Belastungen und Reglementierungen für die Betriebe dürfe es nicht geben. Die Branche erwarte, dass jetzt eine bestmögliche Pandemie-Vorsorge für das Winterhalbjahr getroffen werde. Hinzu käme nun, eine sichere und finanzierbare Energieversorgung zu gewährleisten. Priorität hätten zudem Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung. Mitarbeitende aus dem Inland wie Ausland würden dringend benötigt. Deshalb müsse die Arbeitskräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten zügig ausgeweitet sowie Prozesse und Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Längst überfällig sei eine echte Offensive für die duale Ausbildung.
Zentrale Maßnahme zur Zukunftssicherung der Branche sei laut Zöllick die Beibehaltung der Mehrwertsteuersenkung. Die Maßnahme war zur Stärkung der Gastronomie zum 1. Juli 2020 eingeführt worden und gilt noch bis Ende des Jahres. „Die 7% Mehrwertsteuer muss bleiben“, appelliert Zöllick an die politischen Entscheider. „Mit der Entfristung werden die dringend benötigten Perspektiven geschaffen. Gleichzeitig wird damit die längst überfällige steuerliche Gleichbehandlung von Essen hergestellt.“ Mehr denn je käme es darauf an, der Branche, den Unternehmern und Mitarbeitenden verlässliche Perspektiven zu geben und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu stärken. Nicht nur, weil das Gastgewerbe mit 200.000 Unternehmen und zwei Millionen Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, Jobmotor und Absatzmarkt sei, sondern auch von hoher gesellschaftlicher Relevanz, die wohl nie deutlicher wurde als in den Pandemiemonaten, so Zöllick abschließend.