Der FAMAB hat sich erneut mit einem dringenden Aufruf der Veranstaltungswirtschaft an die Politik gewand. Das Feedback der Politik sei bisher mehr als dürftig gewesen heißt es in der entsprechenden Meldung. Alle Aufforderungen zum Dialog seien verhallt – sicher nicht ungehört, jedoch folgenlos. Ebenso hätten bis jetzt keine Handlung seitens der Regierung erkannt werden können, die auch nur in Richtung zur Rettung einer ganzen Branche deuteten.
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Lesen Sie hier den Aufruf des FAMAB:
Seit Anfang März 2020 befindet sich die Veranstaltungswirtschaft in der größten Krise seit ihrem Bestehen. Sämtliche nennenswerten Veranstaltungen sind ab einer gewissen Größe untersagt, unterliegen so hohen Auflagen, dass die Durchführung faktisch unmöglich wird. Zahlreiche Kunden haben Ihre Veranstaltungen bereits vorsorglich bis Ende des Jahres komplett abgesagt. Seit Beginn des Lockdowns hat die Branche die politischen Entscheider auf Bundesebene, Länderebene und in den Kommunen über ihre Sondersituation informiert:
„Wir sind die ‚First in Last Out‘-Branche und damit härter betroffen als alle anderen!“
Bereits im April 2020 wurden den politischen Entscheidern konkrete und umsetzbare Handlungsempfehlungen zur Rettung der Branche übergeben. Die Branche beauftragte externe Institute mit der Erstellung von Studien zum Thema Veranstaltungssicherheit im Kontext von Corona. Es wurden zahlreiche konstruktive Vorschläge erarbeitet, wie man gesundheitssichere Events realisieren und die Branche retten kann.
Leider war das Feedback aus der Politik bisher mehr als dürftig. Alle Aufforderungen zum Dialog verhallten – sicher nicht ungehört, jedoch folgenlos. Ebenso konnte bis zum heutigen Tag keine Handlung seitens der Regierung erkannt werden, die auch nur in Richtung zur Rettung einer ganzen Branche deutet.
Daran ändert auch das derzeit kursierende Eckpunktepapier (20.05.2020) mit Überbrückungshilfen für, von den Corona-Maßnahmen betroffene Unternehmen wenig. Die dort enthaltenen Maßnahmen weisen erneut erhebliche gestalterische Mängel auf:
- Die Obergrenze von 249 Mitarbeitern, um überhaupt anspruchsberechtigt zu sein, wird große Teile der Veranstaltungsbranche exkludieren. Erneut, ohne dass eine Perspektive für diejenigen Unternehmen geschaffen wird, die diese Grenze überschreiten. Die Obergrenze muss deutlich nach oben gesetzt werden, oder die Veranstaltungsbranche wird zahlreiche gesunde und leistungsstarke Unternehmen verlieren.
- Die Monate April und Mai 2020 sind als Grundlage für die Berechnung des Umsatzausfalls grundsätzlich ungeeignet. Allein durch normale unterjährige Umsatzschwankungen (Projekt- und Saisongeschäft) in der Veranstaltungsbranche muss hier auf einen deutlich größeren Zeitraum und Durchschnittswerte zurückgegriffen werden. Zusätzlich erfolgte – gerade durch die Corona-Maßnahmen und die damit verbundenen langwierigen Verhandlungen mit Kunden verursacht – die Rechnungsstellung mit erheblichen Verzögerungen. Dadurch entsteht die Illusion von Umsätzen in Monaten, in denen die Auslastung allerdings bereits dramatisch eingebrochen war. Es wäre deutlich sinnvoller, hier auf langfristigere Durchschnittswerte zu setzen. Alternativ könnte die Auslastung der Unternehmen als Messgröße für die Betroffenheit von den Corona-Maßnahmen herangezogen werden.
- Die Höhe der „Förderung“ wird auf EUR 50.000 pro Monat begrenzt. Die Zahl sieht zunächst einmal beindruckend aus. Jedoch entspricht sie bei einem Unternehmen mit 250 Mitarbeitern gerade einmal 200 EUR pro Mitarbeiter und Monat. Ein Unternehmen der Veranstaltungsbranche mit 100 Mitarbeitern macht zwischen 10 und 12 Mio. Euro Jahresumsatz. Derzeit verliert dieses Unternehmen – wohlgemerkt trotz umfänglicher Kostenreduzierungsmaßnahmen – monatlich 200.000 bis 250.000 Euro. Folglich ist der vier- bis fünf fache Betrag für die Rettung von 100 Arbeitsplätzen erforderlich. An der dramatischen Verlustwirkung für die Unternehmen ändert dieser Förderbetrag also kaum etwas. Und er wird auch nicht zur Rettung von Unternehmen und Arbeitsplätzen führen. Stattdessen fordern wir, als die am härtesten betroffene Branche, einen Fixkostenzuschussfonds – pro Monat 2 Prozent des Jahresumsatzes – und einen umfassenderen mehrjährigen Verlustrücktrag, der ohne Konflikt mit der EU-Beihilfeordnung schnell möglich ist. Diese Maßnahme kostet den Staat 1 Millarde Euro um die leistungsfähigen Unternehmen zu retten, sichert viele tausend Arbeitsplätze und verhindert den Verlust von über 10 Milliarden Umsatzsteuereinnahmen, die Gäste auf 2,89 Millionen Veranstaltungen pro Jahr in die Städte bringen.
Jörn Huber (Vorstandsvorsitzender FAMAB e.V.) und Jan Kalbfleisch (Geschäftsführer des FAMAB e.V.) zur allgemeinen Lage der Veranstaltungsbranche:
„Mehr als jedes zweite Unternehmen geht unter. Immer wieder haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass 60 Prozent der Unternehmen nach vier Monaten die Liquidität ausgehen wird. Diese kritische Phase beginnt nun. Gehört wurden unsere Hilferufe möglicherweise. Doch von den politischen Entscheidern haben wir bisher leider kaum Feedback erhalten. Weder Zustimmung noch Ablehnung, keine Einladung zur Diskussion über unsere vielfältigen Vorschläge. Die gesamte Branche macht sich daher allergrößte Sorgen. Wir erwarten nunmehr Antworten auf unsere Vorschläge und zu unseren existentiellen Sorgen. Wichtiger noch sind Entscheidungen und Handlungen.“
„250.000 Menschen werden ab nächstem Monat entlassen. Im Juni 2020 sind Massenentlassungen in der Branche zu befürchten. Die Liquidität der Unternehmen ist nach vier Monaten Veranstaltungsverbot erschöpft. Dies belegt der Schadensbericht des R.I.F.E.L.-Instituts. Entlassungen sind nun leider ökonomisch gebotener als eine weitere Verlängerung der Kurzarbeit. Etwa 250.000 Mitarbeiter werden ohne Hilfspaket ihre Anstellung Ende Juni 2020 verlieren. Nur ein staatliches Rettungsprogramm jenseits der Kurzarbeit wird diese Arbeitsplätze retten können. Eine Weiterbeschäftigungsperspektive gibt es ohne Rettungsfond nicht mehr. Kurzarbeit verschiebt das Problem lediglich nach hinten. Aktuelle Umfragen zeigen, dass zunächst 30 Prozent der Beschäftigten wegen fehlender Rettungsmittel entlassen werden müssen.“
„1 Milliarde Fördermittel kann 10 Milliarden Steuern retten. Auch wenn die Einnahmen sofort und bis zu 90 Prozent ausgefallen sind, laufen die Kosten der Unternehmen weiter. Sie brauchen daher Unterstützung bei den Fixkosten. Zahlungen von 2 Prozent des letzten Jahresumsatzes pro Monat würden das Überleben der Unternehmen sichern. Eine sechsmonatige Unterstützung würde den Staat 1 Milliarde Euro kosten. Dies ist ein Bruchteil der zu erwartenden Steuereinbußen, falls die Branche kollabiert. Die Veranstaltungswirtschaft schafft in Deutschland mit Events, Kongressen, Messebau, Veranstaltungstechnik, Konzerten und Präsentationen einen Kernumsatz von ca. 8,25 Milliarden Euro pro Jahr, wie der Bericht des Verbands FAMAB von 2016 zeigt. Die gesamte Wertschöpfung der Veranstaltungswirtschaft mit Übernachtungen, Verpflegung, Reisekosten und Dienstleistungen beträgt jedoch etwa 65 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland. Deshalb verliert der Staat 10 Milliarden Euro Umsatzsteuer, wenn man der Branche die notwendige Unterstützung verweigert.“
„Alarmruf der Veranstaltungswirtschaft: Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium sprechen derzeit über diesen Fixkostenzuschuss. Dessen Genehmigung droht jedoch, viel zu langwierig zu werden. Auch die kürzlich verabschiedeten begrenzten Verlustrücktragsmöglichkeiten sind viel zu gering. Die nun entstehenden Schäden werden irreparabel sein. Die bekannte Konzertreihe, die regionale Veranstaltung, die kleinen und mittleren Messen, die Kulturbetriebe und Veranstaltungslokalitäten, die Zeltbauer, die Veranstaltungsdienstleister, die Künstler- und Eventagenturen – alles, was diese bedeutsame Branche prägt, leidet massiv.“
„Die von uns bisher unternommene Gesprächsdiplomatie scheint nicht zum Erfolg zu führen. Entweder hört die Regierung uns nicht, oder sie interessiert sich nicht sehr für das, was sie da hört.“
„Sehr geehrte Regierende, Sie haben die Möglichkeit, mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln die Veranstaltungsbranche mit vielen 10.000 Arbeitsplätzen und Betrieben kurzfristig zu retten, die unverschuldet seit vier Monaten vom Veranstaltungsverbot hart getroffen sind. Ermöglichen Sie den Rettungsfond für Fixkosten sowie Verlustrückträge für mehrere Jahre. Verlieren sie keine Zeit mehr. Bei dem, was ab jetzt passiert, wird es am Ende egal sein, ob es an Brüssel lag oder an Berlin, an Bundes- oder Landespolitik. Dann werden hunderttausende sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze ebenso weg sein, wie zehntausende steuerzahlende Unternehmen und Millionen umsatzsteuerzahlende Veranstaltungsgäste und Besucher. Sie haben es jetzt in der Hand!“
Für weitergehende Informationen:
Schaden, Insolvenzen, Entlassungen:
Research Institute for Exhibition and Live-Communiacation (RIFEL) Veranstaltungsbranche, Bericht über die mittelfristigen Folgen von Corona, Berlin März 2020
Branchenumsatz, Mitarbeiter:
Erklärung des QZVE zur Lage der Veranstaltungsbranche und der Veranstaltungswissenschaft angesichts der CORONA-Krise, 6.4.2020
Hilfs- und Rettungsmaßnahmen:
Research Institute for Exhibition and Live-Communication (RIFEL) Veranstaltungswirtschaft In Der Krise, Die besondere ökonomische Herausforderung für alle „First in Last out“-Unternehmen, Handlungsempfehlungen zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft Berlin, 8.5.2020
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Businessevents:
Events Industry Council, Oxford Economics: Global Economic Significance of Business Events, Events Industry Council, 2018
Ich könnte nur noch weinen, wie die Politik unser aller Leben durch den Schmutz zieht und wissentlich Unternehmen an die Wand fahren.
Das alles wegen eines geprobten Ernstfalls, wenn dann die 2. Welle kommt.
Mir stellt sich als Betroffenem die Frage, ob in den Zahlen auch die Solo-Unternehmen einbezogen sind. Die Frreelancer bilden auf vielen Produktionen den operativen Backbone der Unternehmen und stehen, genau wie diese, vor einer existenzbedrohenden Situation, wenn nicht bald wieder Events stattfinden können. Darüber hinaus gehen die Soforthilfen am Wesen des Solo-Unternehhmers vorbei, wenn sie nicht für Sozialversicherung, Krankenversicherung etc. einggestzt werden dürfen. Im Moment wird den freelancern der Charakter ihrer Tätigkeit zum Verhängnis.: unsichtbar bleiben und dabei die Produktion zum Erfolg führen.
Ich hoffe, selbst noch zu existieren, wenn es wieder los geht und frage mich gleichzeitigg, wie viele meiner Mitstreiter ich dann noch werde begrüßen düfen.
Auch wir können nur in das Jammer-Horn blasen. YAKONE hat als exklusiver Zeltverleih vieles versucht, um aus eigener Kraft einen Weg durch die Krise zu finden. Unsere sehr flexibel auszustattenden Kuppelzelte haben wir Krankenhäusern, Zentrallaboren, Flüchtlingsunterkünften etc. angeboten und entsprechende Konzepte entwickelt. Alles leider ohne Erfolg, nicht zu letzt auch deshalb, weil der tatsächliche, geringe Bedarf mit Mitteln des Katastrophenschutzes und der BW gedeckt wurde.
Die Soforthilfe war auch für uns (wie auch für die meisten anderen Unternehmen) nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dieser Umstand muss doch allen Verantwortlichen klar sein! Warum gibt es keinen Dialog mit Vertretern unserer Branche, perspektivischen Hilfen oder Informationen??
“Anyway”, wir schaffen das! (Zitat)
Lieber Marco Hintze, bin ganz bei Ihnen! Arbeite seit 39 Jahren in der Veranstaltungswirtschaft, kenne die Umsatzzahlen und Beschäftigungszahlen (siehe Monitoring KuK 2019). Möglicherweise ist den Wirtschaftsministern der Länder und des Bundes diese Bruttowertschöpfungskette nicht bekannt! Das “Nicht handeln” des Wirtschaftsministers ist der “knock out” einer kompletten Branche. Oder steckt was ganz anderes dahinter….???