Grundrente für Kreative: Verbände fordern Senkung des geforderten Mindesteinkommens
von Redaktion,
Am 19. Februar 2020 beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zur Grundrente. Mit dem neuen Gesetz soll insbesondere Personen mit niedrigem Einkommen bei langjähriger Erwerbstätigkeit eine Rente über dem Niveau von Grundsicherung ermöglicht werden. Doch die im Entwurf formulierten Hürden für einen Bezug der Rente sind für viele Musikerinnen und Musiker zu hoch. Das Gesetz soll zum 01. Januar 2021 in Kraft treten.
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Zusätzlich zu den mindestens 33 Jahren Beitragszeiten in der Rentenversicherung muss in diesen Zeiten auch noch ein Mindesteinkommen von mindestens 30 % des bundesweiten Durchschnittseinkommens erwirtschaftet werden. Wer darunter liegt, fällt durchs Raster. Das bundesweite Durchschnittseinkommen lag 2018 bei 37.873 €. Bildhauer*innen in der Künstlersozialkasse hatten im gesamten Jahr 2018 durchschnittlich ein künstlerisches Einkommen von 11.668 €, Maler*innen von 12.253 €; Konzeptkünstler*innen von 9.389 € und Performancekünstler*innen von 9.207 € erwirtschaftet.
Sehr viele werden nicht das Drittel des bundesweiten Durchschnittseinkommens (12.624 €) erreichen, selbst wenn sie 35 Jahre lang Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt haben. Künstlerisches Einkommen unterliegt großen Schwankungen. Viele Künstler*innen mit klassischen Erwerbsbiografien werden aus objektiven Gründen diese beiden Hürden nicht gleichzeitig nehmen können – diese Bedingungen schließen daher viele Kreative von der Grundrente aus. Die unterzeichnenden Verbände fordern daher die Bundesregierung, die Abgeordneten des Bundestags und den Bundesrat auf, diese zweite Hürde auf maximal 10 % des Durchschnittseinkommens abzusenken – orientiert am Mindesteinkommen, das Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse ist.
Hierzu Prof. Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates: „Die akute Bedrohung durch die Coronakrise darf nicht das große Problem der Altersarmut für viele Musikerinnen und Musiker in Vergessenheit geraten lassen. Über die Künstlersozialkasse (KSK) versicherte Kreativschaffende verdienen trotz langjähriger, hochqualifizierter und enorm engagierter Tätigkeit oft nicht mal die erforderlichen 30% des Durchschnittseinkommens, die für einen Bezug der Grundrente dem Gesetzesentwurf zufolge nötig wären. So würden laut aktueller Zahlen der KSK derzeit 20.000 Künstlerinnen und Künstler wegen ihrer zu niedrigen Einkünfte von der Grundrente ausgeschlossen. Eine private Altersvorsorge wiederum ist für diese Berufsgruppe unerschwinglich: ein Teufelskreis der Armut.
Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und des Respekts, die Lebensleistung von Künstlerinnen und Künstlern anzuerkennen und ihren Wert nicht vorrangig an ihrem Einkommen festzumachen. Das neue Gesetz will und wird zweifellos für viele Menschen sozialpolitische Vorteile bringen; der jetzige Entwurf jedoch zementiert eine prinzipielle Ungerechtigkeit, wie sie auch die aktuelle Krise aufzeigt: die ökonomische und gesellschaftliche Randstellung der freien Kulturszene. Wir appellieren daher an den Bundestag, bei den nun anstehenden Beratungen über den Gesetzesentwurf nachzubessern und das für die Grundrente erforderliche Mindesteinkommen der – leider nach wie vor prekären – Situation vieler Kreativschaffenden entsprechend nach unten, auf 20% des Durchschnittseinkommens, anzupassen.“
Gegen die im Gesetzesentwurf zur Grundrente formulierten Kriterien hat sich bei Bundeskulturverbänden Widerstand formiert, auch wenn das Gesetz im Grundsatz begrüßt wird. So hat der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler einen Appell mit 45.000 Unterzeichnenden an die Bundesregierung, die Abgeordneten und den Bundesrat verfasst, dem sich auch die Allianz der Freien Künste anschließt.